“Gewalt hat kein Religionsbekenntnis” – ein Mitarbeiter in Gaza erzählt

31.07.2014
Einer unserer palästinensischen Mitarbeiter teilt hier seine Gedanken
Vertriebene Familien suchen seit dem 21. Juli am Gelände des Al-Shifa Krankenhauses in Gaza-Stadt Zuflucht.
Samantha Maurin/MSF
Gaza-Stadt, Palästinensische Gebiete, 24.07.2014: Vertriebene Familien suchen seit dem 21. Juli am Gelände des Al-Shifa Krankenhauses in Gaza-Stadt Zuflucht.

Seit dem Ausbruch des Krieges suchen mehrere palästinensische MitarbeiterInnen von Ärzte ohne Grenzen in den Gebäuden der Organisation Zuflucht. Sie fühlen sich hier sicherer und geben sich gegenseitig Halt und Unterstützung. Sie sind in Gaza gefangen und resignieren – bestürzt über ihre Machtlosigkeit, ihre eigenen Kinder zu beschützen, und fassungslos angesichts der Gewalt der Bombardements. Einer unserer Mitarbeiter teilt hier seine Gedanken.

„Am ersten Tag des Krieges schickte ich meine Frau mit unseren beiden Kindern zu meinen Schwiegereltern, damit sich dort besser um sie gekümmert wird. Ich hatte mich dazu entschlossen, im Büro von Ärzte ohne Grenzen zu bleiben. Meine Tochter ist zweieinhalb Jahre alt und sehr verängstigt. Sobald sie eine Explosion, hört muss sie sich übergeben und spricht oft stundenlang nicht mehr. Mein Sohn ist drei Jahre alt, aber er tut so, als ob nichts passiert.

Auch ich habe Angst. Wenn ich hier gemeinsam mit Kollegen im Büro von Ärzte ohne Grenzen bin und wir diskutieren oder Kaffee trinken, ist es in Ordnung. Aber sobald ich das Gebäude verlasse, ist es schrecklich. Draußen spielt sich eine Tragödie ab. Heute bin ich kurz nach Hause gegangen, um einige Dinge zu holen – mein Herz raste, als ich im Auto saß. Ich habe auch die vorigen Kriege erlebt, aber dieser ist für mich der bisher schlimmste. So starke Bomben, die so nah explodieren und überall herabfallen könnten, habe ich noch nie gesehen.

Ich will nicht, dass meine Kinder einen einzigen Tropfen Blut verlieren, nicht mal einen Kratzer sollen sie erleiden müssen. Es gibt nichts Schlimmeres als Krieg. Was auch immer passiert, wir haben verloren – denn wir haben unsere Kinder verloren. Häuser und Autos sind egal, doch die Kinder sind sehr viel wertvoller. Wenn Soldaten im Krieg sterben, ist das auch traurig, aber es ist ihre Wahl. Die Kinder jedoch haben sich nicht dazu entschieden, sie sind unschuldig.

Wenn ich nicht einmal meine Familie beschützten kann, wie soll ich dann mein Land schützen? Ich gehöre zu meinem Land und ich liebe es, aber nicht blindlings. Ich denke, dass es wichtig ist, korrekt und fair zu bleiben, doch ohne in Extreme zu verfallen. Ich will, dass es aufhört. Gewalt hat kein Religionsbekenntnis. Alle Religionen sind für den Frieden. Ich glaube an den Frieden. Wirklich.“