Haiti: Ein Jahr nach dem Erdbeben - Bericht von Ärzte ohne Grenzen

10.01.2011
Trotz massiver Hilfsleistungen bleiben maßgebliche Bedürfnisse ein Jahr nach dem Erdbeben unerfüllt
Haiti 2010
EPA/Andrés Martínez Casares
Port-au-Prince, Haiti, 11.11.2010: Eine Haitianerin bringt ihren an Cholera erkrankten Sohn in das Santa Caterina Spital in Cite Soleil.

Port-au-Prince/Wien, 10. Januar 2011. Ein Jahr nachdem ein verheerendes Erdbeben geschätzte 222.000 Menschen getötet und 1,5 Millionen obdachlos zurückgelassen hat, ertragen die Haitianer trotz des weltweit größten humanitären Hilfseinsatzes weiterhin schreckliche Lebensbedingungen.

Während sich der Zugang zu Basisgesundheitsversorgung seit dem Erdbeben insgesamt verbessert hat, zeigt die rasante Ausbreitung der Cholera im Land die Grenzen des internationalen Hilfssystems, wenn es darum geht, wirksam auf neue Notfälle zu reagieren. Internationale Organisationen müssen ihren Verpflichtungen gegenüber der haitianischen Bevölkerung und ihren Spendern gerecht werden, indem sie ihre Versprechen in konkrete Handlungen umsetzen, fordert Ärzte ohne Grenzen. Akute humanitäre Bedürfnisse müssen erfüllt werden während langfristige Wiederaufbaupläne fortgesetzt werden.

„Die schwere Verwüstung durch das Erdbeben hat weltweit eine außergewöhnliche Großzügigkeit bei privaten Spendern ausgelöst und zum Versprechen der internationalen Gemeinschaft geführt‚ Haiti besser als zuvor wieder aufzubauen“, sagte Stefano Zannini, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Haiti. „Aber heute ist traurige Realität, dass viele Menschen noch immer extrem gefährdet sind. Besonders, weil sie mit der Cholera-Epidemie, die bisher mindestens 3.600 Leben gekostet hat, einer zweiten, weitgehend vermeidbaren Katastrophe ausgesetzt sind.“

Rückblick auf den Noteinsatz

Ärzte ohne Grenzen veröffentlicht heute einen Rückblick über die Nothilfe-Aktivitäten der Organisation seit dem Erdbeben vor einem Jahr. Der Bericht dokumentiert auch Lücken in der sekundären Gesundheitsversorgung des Landes, ein Bereich, in dem Ärzte ohne Grenzen im laufenden Jahr aktiv werden will. Der Hilfseinsatz von Ärzte ohne Grenzen seit dem Erdbeben und der Cholera-Epidemie ist der größte akute Nothilfeeinsatz in der Geschichte der Organisation.

Ärzte ohne Grenzen geht davon aus, dass mit Ende 2010 die gesamten 104 Millionen Euro, die von Privatpersonen für die Nothilfe-Aktivitäten nach dem Beben und dem Cholera-Ausbruch gespendet wurden, ausgegeben wurden  (genaue Zahlen liegen im Laufe der kommenden Monate vor). Vom 12. Januar bis zum 31. Oktober 2010 haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen mehr als 358.000 Menschen behandelt, mehr als 16.500 chirurgische Eingriffe vorgenommen und mehr als 15.000 Geburten begleitet.

Seit dem Ausbruch der Cholera-Epidemie wurden in den von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Cholera-Behandlungszentren mehr als 91.000 Menschen behandelt. Landesweit wurden bis zum 1. Januar 2011 insgesamt 171.300 Cholera-Fälle gemeldet.

„Wir sind dankbar für die großzügige Unterstützung unserer privaten Spender und den Einsatz unserer Mitarbeiter, von denen viele trotz des Todes von Familienmitgliedern und Freunden Hilfe leisten. Ärzte ohne Grenzen wird die Erfahrung in Haiti nutzen, um unsere Programme im Land aufrechtzuerhalten und zu verbessern, und um auch auf künftige Katastrophen vorbereitet zu sein”, sagt Dr. Unni Karunakara, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen.

Für das Jahr 2011 rechnet Ärzte ohne Grenzen für den Einsatz in Haiti mit einem operationellen Budget von 46 Millionen Euro. Die Organisation plant, medizinische Hilfe in acht Krankenhäusern in Port-au-Prince sowie in einem Krankenhaus in Léogâne zu leisten. Zu den Schwerpunkten der Arbeit von Ärzte ohne Grenzen in Haiti zählen Geburtshilfe, Notfallhilfe und Trauma-Medizin.

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