Medizinische Versorgung im Flüchtlingslager Batil

20.06.2013
Dr. Deirdre Lynch über die Herausforderungen eines Flüchtlingslagers
Das Flüchtlingslager bietet Schutz vor den rauen Außenbedingungen
Robert Hoglund/MSF
Maban, Südsudan, 27.04.2013: Das Flüchtlingslager bietet Schutz vor den rauen Außenbedingungen

Dr. Deirdre Lynch ist Allgemeinmedizinerin und arbeitet derzeit für Ärzte ohne Grenzen im Flüchtlingslager in Batil, Südsudan, wo 38.000 Menschen Zuflucht vor den Kämpfen und der Gewalt der Nachbarregionen gesucht haben.Am Weltflüchtlingstag beschreibt sie das Leben im Lager von Batil und die Herausforderungen, mit denen sowohl die Flüchtlinge als auch das Team von Ärzte ohne Grenzen konfrontiert sind.

 

Erste Eindrücke

„Ich hatte ein paar Bilder im Kopf, worauf ich mich einließ bevor ich angekommen bin, aber die Realität eines Flüchtlingslagers, das mehr als 38.000 Menschen beheimatet, zu sehen, in Kombination mit den harten Umgebungs- und Lebensbedingungen, war zunächst erdrückend.

Das Flüchtlingslager in Batil liegt in Maban County, im Nordosten Südsudans (das neueste Land der Welt) und an der Grenze zum Sudan. Während der Trockenzeit ist das Land unfruchtbar und bedeckt mit staubiger Erde. Das Lager befindet sich allerdings in einem Überschwemmungsgebiet und ist nach Regenfällen bedeckt mit dickem, kleberartigem Schlamm. Die Wassertümpel, die sich danach bilden, sind der ideale Ort für viele Krankheiten und Moskitos."

Medizinische Versorgung vor Ort

„In unseren Feldspitälern bietet Ärzte ohne Grenzen Gesundheitsversorgung rund um die Uhr für die Flüchtlinge von Batil und Gendrassa an. Die Lebensbedingungen in dieser Umgebung sind für die Bevölkerung gefährlich. Wir bieten Hilfe in verschiedenen Bereichen an, von der Betreuung Neugeborener über allgemeine Pädiatrie, Versorgung der Mütter bis hin zu Erwachsenenmedizin, einem Ernährungsprogramm und psychologischer Betreuung.

Wöchentlich sehen wir im Durschnitt 1.000 Patienten, Erwachsene und Kinder, mit Lungenentzündungen, Durchfall, die an Flüssigkeitsmangel und Mangelernährung leiden. Wir kümmern uns außerdem um Betroffene von Kala-Azar, eine im Südsudan weit verbreitete Krankheit. Die Bevölkerung leidet außerdem an anderen Infektionskrankheiten wie TB, Brucellose und Typhus.

Zuletzt haben wir einige Kinder, die an Masern erkrankt sind, behandelt; diese Woche startet Ärzte ohne Grenzen eine Massenimpfkampagne im Flüchtlingslager, um den Ausbruch einzudämmen. Wir behandeln außerdem Menschen, die an bleibenden Verletzungen leiden – Verbrennungen, die beim Kochen entstanden sind und Komplikationen, die durch Schlangen- oder Skorpionbisse verursacht wurden."

Herausforderungen

„Die Bevölkerung hier wird stark unter der Regenzeit der kommenden Monate leiden. Die Zelte und Plastikplanen bieten nur begrenzt Schutz vor den schweren Regenfällen. Überflutungen sind wahrscheinlich, und wir gehen davon, aus dass wir sehr beschäftigt sein werden, die Patienten zu behandeln, die an so vielen verschiedenen Krankheiten leiden.

Es gibt viele herzzerreißende Momente hier. Ein Kind sterben zu sehen, macht uns alle betroffen. Ich erinnere mich besonders an ein siebenjähriges Mädchen, das wir vor kurzem gegen eine schwere Kala-Azar-Infektion und Mangelernährung behandelt haben und das trotz all unserer Bemühungen der Krankheit erlegen war. Dieses kleine Mädchen war eine Kämpfernatur. Sogar in den Tagen, bevor sie starb, fragte sie unser Personal nach einem Löffel Zucker, bevor sie ihre Medizin einnahm. Sie hat alle berührt, die sich um sie gekümmert haben.

Auch die Müttersterblichkeit mit anzusehen, ist extrem traurig. Hepatitis E-Infektionen bei schwangeren Frauen führen zu einer Sterblichkeitsrate von 20 Prozent, und viele Kinder sind mit der Pflege der Familie alleine gelassen, wenn die Mutter stirbt. Der Hepatitis E-Ausbruch hat eine Menge Angst innerhalb des Flüchtlingslagers verursacht und hatte drastische Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung."

Anpassungsfähigkeit der Flüchtlinge

„Viele der Zuflucht suchenden Personen sind bei Ärzte ohne Grenzen angestellt. Ahmed* ist ein 24jähriger Stationsgehilfe, der sich in der Klinik um Patienten und Patientinnen kümmert. Er ist ein gescheiter junger Mann und angenehmer Kollege. Vergangenes Jahr hat er den Blue Nile State im Südsudan verlassen, gemeinsam mit seiner Frau, drei Kindern, seinen Eltern und Geschwistern. Einige seiner Verwandten sind bereits nach Maban County gezogen, nach wochenlagen Fußmärschen, um den Kämpfen in Blue Nile zu entkommen.

Ahmed wird emotional, wenn er über ein nah verwandtes Familienmitglied spricht, das bei einem Angriff auf sein Dorf erschossen wurde. Es fällt ihm schwer über das Leid, das er gesehen hat, zu sprechen, und er macht sich Sorgen um seine Familie, die noch zu Hause ist.

Ahmed will sich noch weiterbilden und besucht daher die Krankenpflegeschule. Er hat Pläne und Träume. Aber zunächst hat er sich erst einmal im Flüchtlingslager eingerichtet und versucht, für sich und seine Familie nach vorne zu blicken. Ich habe ihn gefragt, wie er mit der Situation, in der er sich zusammen mit seiner Familie befindet, umgeht. Er antwortete: „Wenn ich daran denke, wie schwer alles hier ist, wird es nur zehnmal schlimmer." Er versucht positiv zu bleiben und sein Leben wieder aufzubauen. Ahmed symbolisiert für mich den anpassungs- und widerstandsfähigen Geist der Flüchtlinge, trotz aller Widrigkeiten."

*Der Name wurde geändert.