Sahel: Drohende Ernährungskrise und Flüchtlingsströme

<i>Ärzte ohne Grenzen</i> weitet Hilfe aus
03.05.2012
Tschad 2012
Andrea Bussotti/MSF
Sinetaye, Tschad, 25.04.2012: Im Tschad arbeitet Ärzte ohne Grenzen an neuen Strategien im Kampf gegen Mangelernährung.

Die wiederkehrende Nahrungsmittelknappheit in der Sahelzone droht dieses Jahr besonders schwer auszufallen. Ärzte ohne Grenzen weitet deswegen die Aktivitäten in mehreren Ländern der Region aus und bereitet sich damit auf den Höhepunkt der Krise im Sommer vor. In einigen Ländern erschweren Flüchtlingsströme aus Mali die Lage. Ärzte ohne Grenzen unterstützt in den Aufnahmeländern die Flüchtlinge und die lokale Bevölkerung, die gleichermaßen von der Nahrungsmittelknappheit bedroht sind.

Burkina Faso: Medizinische Hilfe und mobile Kliniken

Seit 2007 behandelt Ärzte ohne Grenzen mangelernährte Kinder im Norden des Landes. Im Jänner 2012 weitete die Organisation die Aktivitäten aus und bietet nun auch eine allgemeine kinderärztliche Versorgung an. Die Teams arbeiten unter anderem in Gesundheitszentren der Region sowie in der Ernährungs- und auf der Kinderstation des Krankenhauses in Titao. Zwischen Jänner und März 2012 behandelten sie insgesamt rund 850 Kinder.

Darüber hinaus versorgt Ärzte ohne Grenzen im Norden von Burkina Faso Flüchtlinge aus Mali:  Rund 46.000 Menschen waren seit Anfang des Jahres vor den Gefechten zwischen Tuareg-Rebellen, der malischen Armee und anderen bewaffneten Gruppen geflohen. In der Provinz Soum verteilte Ärzte ohne Grenzen im Februar Nahrungsmittel und Wasser. In der Provinz Oudalan unterstützen die Teams einen Gesundheitsposten und führen im Lager Ferrerio mobile Kliniken durch. Innerhalb von vier Wochen wurden mehr als 1.600 Untersuchungen durchgeführt.

Mali: Behandlung der Mangelernährung

Ärzte ohne Grenzen führt derzeit Erkundungen in verschiedenen Regionen durch, in denen die Ernährungslage Berichten zufolge besonders kritisch sein soll. Im März begann die Organisation, Mangelernährung in Kidal und Timbuktu ambulant zu behandeln. In Koutiala, im Südosten des Landes, ist die Organisation bereits seit dem Jahr 2009 aktiv: Die Teams behandeln Mangelernährung in fünf Gesundheitszentren sowie auf der Kinderstation des Distrikt-Krankenhauses. Allein dort wurden bis Mitte März mehr als 800 schwer mangelernährte Kinder aufgenommen.

Mauretanien: Versorgung von Flüchtlingen und lokaler Bevölkerung

In Hodh Ech Chargui im Südosten des Landes versorgt Ärzte ohne Grenzen neben der lokalen Bevölkerung derzeit rund 57.000 Flüchtlinge aus Mali: Die Teams behandeln mangelernährte Kinder und leisten Basisgesundheits- sowie Mutter-Kind-Versorgung. Seit Anfang April strömen immer mehr Flüchtlinge in die Region; die meisten suchen Schutz im Lager Mbéra, im Herzen der Sahelzone. Ärzte ohne Grenzen ist über den Gesundheitszustand der Menschen besorgt, weil es an Wasser, Nahrung und Latrinen mangelt.  Mehr als 250 Kinder in dem Lager sind zurzeit mangelernährt. Im Südwesten des Landes untersuchte Ärzte ohne Grenzen die Ernährungslage und eröffnete sechs ambulante Ernährungszentren sowie ein stationäres Zentrum in der Region Brakna, nachdem eine landesweite Erhebung ergeben hatte, dass die Mangelernährung beinahe das Ausmaß einer Notsituation erreicht hatte. Derzeit untersucht Ärzte ohne Grenzen außerdem die Lage in Assaba.

Niger: Jahrelanger Einsatz gegen Mangelernährung

In den vergangenen Jahren verbesserte die nigrische Regierung den Zugang zu medizinischer Versorgung und Nahrung für Kleinkinder und entwickelte zusammen mit internationalen Partnern Strategien gegen die saisonale Mangelernährung. Dadurch und durch die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen ist Niger heute besser in der Lage, mit der wiederkehrenden Nahrungsmittelknappheit umzugehen, als viele andere Länder der Sahelzone. Dennoch ist die Anzahl der mangelernährten Kinder hoch – 2011 lag sie ähnlich wie in den Jahren vorher im Alter zwischen sechs und 23 Monaten bei 30 Prozent. Sowohl die nigrische Regierung als auch die internationalen Geber müssen also weiter in das Gesundheitssystem des Landes investieren und die Mangelernährung als chronisches Gesundheitsproblem angehen.

Seit 2001 kämpft Ärzte ohne Grenzen gegen Mangelernährung in Niger. Fortschritte in der ambulanten Behandlung ermöglichten es, im Laufe der Jahre immer mehr Patientinnen und Patienten zu erreichen. Seit 2010 behandelte die Organisation jedes Jahr mehr als 100.000 mangelernährte Kinder, wobei mehr als 90 Prozent wieder gesund werden. Die Teams arbeiten in den Regionen Maradi, Tahoua und Zinder. Zwischen Jänner und März 2012 behandelten sie rund 1.500 Kinder stationär und mehr als 14.000 Kinder ambulant gegen Mangelernährung.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet außerdem mit dem nigrischen Gesundheitsministerium zusammen, um die 26.000 vor der Gewalt in Mali geflohenen Flüchtlinge an vier Orten zu unterstützen. Die Hilfe erstreckt sich auch auf die lokale Bevölkerung.

Senegal: Behandlung sehr schwerer Fälle

Im Senegal sind Kinder in den Regionen Diourbel im Westen und Matam im Südosten von Mangelernährung bedroht. In Diourbel eröffnete Ärzte ohne Grenzen deswegen ein Ernährungszentrum mit 15 Betten für die Behandlung schwerer Fälle und unterstützt darüber hinaus ein bestehendes Zentrum im Distrikt Bambey. In Matam beobachten die Teams die Lage, um im Notfall reagieren zu können.

Tschad: Mangelernährung und Meningitis - Nothilfe

In mehreren Regionen des Landes, die besonders von der Nahrungsmittelknappheit betroffen sind, untersucht Ärzte ohne Grenzen die Ernährungslage. Im März eröffneten die Teams aufgrund dieser Erhebungen zusätzliche Programme für die ambulante und stationäre Behandlung von Mangelernährung in Biltine and Yao.

Zudem testet Ärzte ohne Grenzen neue Strategien, um die Mangelernährung langfristig zu bekämpfen. Dazu werden in den kommenden Monaten Tausende Kinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren mit einer angereicherten Erdnusspaste versorgt. Eine Studie soll die Wirksamkeit dieser Verteilungsaktionen untersuchen und dazu beitragen, die wiederkehrenden schweren Ausbrüche der Mangelernährung zu mildern. Die Ergebnisse werden 2014 erwartet und mit den tschadischen Gesundheitsbehörden geteilt.

Gleichzeitig reagieren die Teams im Tschad auf einen Ausbruch von Meningitis (Hirnhautentzündung). Sie behandeln Erkrankte und starteten zusammen mit dem Gesundheitsministerium in Oum Hadier, Moissala, Massakory und Lere Impfkampagnen für rund 640.000 Personen im Alter von einem bis 30 Jahren. Die Teams verwenden dabei einen neuen Impfstoff, der eine längere Immunität als bisherige Impfstoffe gewährt. Die Impfungen sollen dazu beitragen, den Teufelskreis aus Krankheit und Mangelernährung zu durchbrechen.