Südsudan: Wie Gesundheitsaufklärung hilft, Leben zu retten (Teil 2)

27.01.2015
Wissen, wo es Hilfe gibt - die Geschichte der jungen Patientin Stella
Eine Patientin wird von in den Operationssaal gebracht. Der Weg kann zu einer Herausforderung werden - besonders während der Regenzeit.
Matthias Steinbach
Yambio, Südsudan, 13.09.2014: Eine Patientin wird von in den Operationssaal gebracht. Der Weg kann zu einer Herausforderung werden - besonders während der Regenzeit.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen reisen weite Strecken, um Gesundheitsinformationen zu den Menschen im südsudanesischen Bundesstaat West-Äquatoria zu  bringen. Gesundheitsaufklärung ist ein wichtiger Teil der medizinischen Hilfe – denn ohne sie würde manchmal jede Hilfe zu spät kommen, wie die Geschichte der jungen Patientin Stella zeigt.

An einem regnerischen Freitagnachmittag wurde der diensthabende Chirurg von Ärzte ohne Grenzen im Krankenhaus in Yambio zu einem Notfall in der Geburtsstation gerufen. Die 26-jährige Stella war mit schweren Unterleibsschmerzen und starken Blutungen im Vaginalbereich eingeliefert worden. Gemeinsam mit ihren Angehörigen hatte sie es geschafft, die rund 30km lange Strecke von Nzara nach Yambio auf den nahezu unpassierbaren, schlammigen Straßen zu bewältigen. Die schweren Niederschläge der Regenzeit forderten von der Bevölkerung ihren Tribut.

Notoperation nach Eileiterschwangerschaft

Auf der linken Seite ihres Bauches befand sich eine spürbare, schmerzempfindliche Masse. Ein operativer Eingriff zeigte, dass ihr Bauch nach einer geplatzten Eileiterschwangerschaft mit Blut gefüllt war. Das medizinische Team konnte die Blutung stoppen – doch leider waren der linke Eierstock und der Eileiter bereits zerstört. Stella verlor viel Blut, doch das Team konnte sie stabilisieren.

Als Stella wieder zu Bewusstsein kam, erzählte sie dem medizinischen Team, dass sie bereits seit zwei Wochen in diesem Zustand gewesen war. Nach der ersten Woche voller Schmerzen suchte sie einen traditionellen Heiler auf. Doch trotz seiner Bemühungen, ihr zu helfen, verschlechterte sich ihr Zustand: Die Blutungen und die Schmerzen hielten an, und Stella war kurz davor, aufzugeben.

Wissen, wo es Hilfe gibt

Ihr Ehemann hatte jedoch von den Aufklärungsteams von Ärzte ohne Grenzen erfahren, welche Gesundheitsleistungen im Krankenhaus in Yambio angeboten werden. Er entschloss sich daher, seine Verwandten zu bitten, ihn mit Stella gemeinsam ins Krankenhaus zu begleiten.

Stella wurde zwei Tage später entlassen. Nach vier Tagen kehrte sie nach Yambio zurück, um die Fäden entfernen zu lassen. In einem Gespräch mit dem psychosozialen Team erzählte die 26-Jährige, dass sie bereits Mutter von sieben Kindern sei – und das somit ihre achte Schwangerschaft. Stella erklärte, dass sie keine weiteren Kinder mehr wolle und welche Maßnahmen sie dazu ergreifen könnte.

Stella will wieder ein normales Leben führen

Sie wurde an die Stelle für Familienplanung verwiesen, wo ihr mehrere Möglichkeiten erklärt wurden. Im Rahmen der Beratung entschied sie sich für ein Implantat, das in ihrem linken Oberarm eingesetzt wurde. In fünf Jahren muss sie für einen Kontrolltermin wiederkommen. Nachdem Stella weit weg von jedem Gesundheitszentrum lebt, war sie mit dieser Option sehr zufrieden: „Dieses kleine Ding wird mir helfen, ein normales Leben mit meinem Mann und meinen Kindern leben zu können – und nie wieder so eine schreckliche Erfahrung machen zu müssen.“

Im Rahmen der Aktivitäten zur Gesundheitsaufklärung besuchen die Teams so viele Dörfer in der Gegend wie möglich, um Informationen zu verbreiten. So erfuhr auch der Ehemann von Stella über die Einrichtung von Ärzte ohne Grenzen im 30km entfernten Yambio. Hier ist einzigartig, dass sowohl ein Aufklärungsteam innerhalb des Krankenhauses als auch außerhalb arbeitet.

Aufklärung der Menschen essentiell

„Das Aufklärungsteam hier hat einen ganz besonderen Zugang zu den Menschen. Sie öffnen sich und ermöglichen so dem medizinischen Team, richtig zu handeln“, streicht Hemmed Lukonge hervor, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Juba. „Dank dieses Teams für Gesundheitsaufklärung erfahren Stella und andere Menschen von unseren medizinischen Aktivitäten und wie sie Hilfe bekommen.“

Das Team im Krankenhaus in Yambio hat neue Aktivitäten gestartet wie die „Känguruh-Mutterbetreuung“ speziell für Neugeborene oder psychosoziale Betreuung für mangelernährte Kinder, bei der auch andere Kinder aus der pädiatrischen Station teilnehmen können. In einer eigens eingerichteten „Still-Ecke“ werden die Wichtigkeit des Stillens, die Position des Kindes beim Trinken und viele weitere Dinge erklärt.

Lesen Sie hier Teil 1 unseres Schwerpunkts über Gesundheitsaufklärung im Südsudan!

Yambio ist die Hauptstadt des südsudanesischen Bundesstaats West-Äquatoria. Das Gebiet hat die höchste Müttersterblichkeitsrate im Südsudan – es kommt zu rund 2.327 Todesfällen pro 100.000 Geburten. Die Sterblichkeitsrate im gesamten Land liegt im weltweiten Vergleich überhaupt unter den höchsten. Der Zugang zu medizinischer Hilfe wird weiterhin durch kulturelle Praktiken, traditionellen Glauben sowie soziale und ökonomische Hürden erschwert. Die meisten Frauen leiden oder sterben, weil sie schlichtweg kein ausreichendes Wissen über die Gesundheit von Mutter und Kind haben. Daher ist Gesundheitsaufklärung ein wichtiger Teil der Arbeit von Ärzte ohne Grenzen.