Tschad: „Zwei Wochen Zeit, um 100.000 Kinder zu impfen“

Masern-Impfkampagne in mehreren Teilen des Landes

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03.07.2013
Krankenschwester Flora Escourrou (Mitte) betreut die Impfkampagne in mehreren Regionen.
Flora Escourrou/MSF
Tschad, 15.05.2013: Krankenschwester Flora Escourrou (Mitte) betreut die Impfkampagne in mehreren Regionen des Landes.

Die Krankenschwester Flora Escourrou ist soeben aus dem Tschad zurückgekehrt, wo sie an einer Masern-Impfkampagne mitgewirkt hat.

„Das war mein erster Einsatz für Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF). Mitte April kam ich in der Hauptstadt N'Djamena an und fuhr von dort gemeinsam mit vier anderen Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen weiter nach Abéché. Wir brauchten zwei Tage, um das Land von West nach Ost zu durchqueren.

In Abéché waren bereits seit mehreren Monaten immer wieder Fälle von Masern gemeldet worden. Im April nahm die Epidemie dann beunruhigende Ausmaße an. Die Krankheit, die in Europa unter Kontrolle ist, kann schwere Komplikationen nach sich ziehen. Wenn es ganz schlimm kommt, insbesondere bei mangelndem Zugang zu medizinischer Pflege, kann die Sterblichkeitsrate auf bis zu 20 Prozent ansteigen. Dabei könnten die Masern eigentlich einfach vermieden werden, denn es gibt eine wirksame und kostengünstige Impfung. Die letzte Impfkampagne in der Region Abéché fand im Jahr 2009 statt. Mit den seither erfolgten Geburten ist die Zahl der ungeschützten Kinder ständig gestiegen."

Zwei Wochen Zeit für die Impfung

„Als wir in Abéché ankamen, waren die Vorbereitungen schon weit fortgeschritten. Schließlich ist Ärzte ohne Grenzen hier schon seit mehreren Jahren im Einsatz. Nachdem die Behörden grünes Licht gegeben und uns die Zusammenarbeit mit den 26 Gesundheitszentren in diesem Distrikt zugesichert hatten, hatten wir zwei Wochen Zeit, um fast 100.000 Kinder zu impfen.

Zunächst mussten wir Hunderte von Bewerbungen sichten, die bis dahin bei Ärzte ohne Grenzen eingegangen waren. Nach Absprache mit ihrer Ausbildungsstätte konnten wir auch zahlreiche angehende Pflegefachkräfte verpflichten. Ende April hatten wir dann 14 Teams aus je sechs Mitarbeitern zusammengestellt und für die Kampagne geschult. Diese Teams wurden durch lokale Gesundheitshelfer aus den umliegenden Dörfern ergänzt. Pro Tag sollte jedes Team durchschnittlich 500 Kinder impfen.

Der Beginn der Kampagne wurde auf den 29. April festgelegt. Jeden Morgen folgte dann das gleiche Ritual: Ein erstes Treffen um 5 Uhr, um die Tagespläne fertigzustellen. Anschließend die Ankunft der 14 Supervisoren. Sie kontrollierten, ob das gesamte benötigte Material in die Geländewagen geladen wurde, vor allem natürlich die gut gekühlten Impfstoffe. Abfahrt der Teams gegen 6 Uhr."

Stundenlange Fahrt auf staubigen Pisten

„In der ersten Woche habe ich vor allem die Abläufe beaufsichtigt. Um auch zu den abgelegensten Impforten zu gelangen, waren wir manchmal bis zu drei Stunden unterwegs. Manchmal mussten wir das Programm etwas umorganisieren, und beispielsweise den Dorfvorsteher um zusätzliche Wachen bitten, damit kein Gedränge entstand.

Es werden nur die Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren geimpft. Die Mütter wissen aber nicht immer genau, wie alt ihre Kinder sind. Wenn sie Zähne haben, kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass sie zur Zielgruppe gehören. Die Kinder der nomadisch lebenden Gemeinschaften hingegen werden bis zum Alter von 15 Jahren geimpft, da diese von den routinemäßigen Impfprogrammen häufig nicht erfasst werden."

Weiter Weg ins Spital

„In der zweiten Woche habe ich mich verstärkt um die Masernfälle gekümmert, die uns von den Teams gemeldet worden waren. Häufig haben die Mütter aus Angst vor einer Ansteckung ihre an Masern erkrankten Kinder nicht zur Impfstelle gebracht. Gegen dieses Virus gibt es keine spezifische Behandlung. Deshalb versucht man vor allem, die Symptome der Krankheit zu lindern: mit Antibiotika, mit Paracetamol gegen das Fieber oder mit Augensalben. Häufig muss auch Ergänzungsnahrung bereitgestellt werden, da Masern das Risiko für Mangelernährung erhöht. Dies kann alles an Ort und Stelle verabreicht werden.

Bei Komplikationen wurden die Kinder hingegen in das Spital von Abéché gebracht, wobei Ärzte ohne Grenzen sich stets vergewisserte, dass die Pflege kostenlos erfolgte. Die schlimmsten Symptome sind Atemnot und Krämpfe. In diesem Fall ist es nicht so schwierig, die Eltern davon zu überzeugen, ihr Kind ins Spital zu bringen. Für so arme Bevölkerungsgruppen ist es nicht selbstverständlich, den weiten Weg nach Abéché zurückzulegen und mehrere Tage von zu Hause fernzubleiben. Auch dann nicht, wenn wir das Kind im Krankenwagen hin- und wieder zurückgebracht haben. Jede Zustimmung der Eltern war deshalb ein Erfolg.

Dieser erste Einsatz war eine unglaublich bereichernde Erfahrung für mich. Es hat mich sehr beeindruckt, wie Ärzte ohne Grenzen eine so umfangreiche Operation auf die Beine stellen konnte. Ich war sehr zufrieden, dass es uns gelang, in kürzester Zeit so viele Kinder zu impfen. Es ist auch eine grosse Motivation, später an einem anderen Einsatz teilzunehmen."

Nach Beendigung der Kampagne im Distrikt Abéché haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen im Nachbardistrikt Abdi weitere Impfungen durchgeführt; anschließend wurde bis Ende Juni weiter nördlich geimpft, in Biltine in der Region Wadi Fira. An den drei Orten wurden mehr als 257.000 Kinder gegen Masern geimpft und fast 800 erkrankte Kinder behandelt.