Überflutungen auf dürrem Land - Heftige Regenfälle treffen den vom Hunger gebeutelten Tschad

Weiterhin werden zahlreiche Patienten in das Ernährungsprogramm von Ärzte ohne Grenzen im Tschad aufgenommen

Themengebiet:

12.08.2010
Tschad 2010
Boris Revollo / MSF
Tschad, 20.07.2010: Überschwemmte Straße in der Region Guéra

Weiterhin werden zahlreiche Patienten in das Ernährungsprogramm von Ärzte ohne Grenzen im Tschad aufgenommen.

"Die diesjährige Regenzeit im Tschad ist zugleich Fluch und Segen für das Trockengebiet des Landes, da die Menschen unter einer extrem mageren Ernte und Ernährungsunsicherheit leiden", sagt Dr. Kodjo Edoh, Projektleiter für Ärzte ohne Grenzen im Tschad. "Es ist einerseits gut für die Viehbauern der Region, die von tierischen Produkten wie Milch und Fleisch leben. Sie sind jetzt dazu in der Lage, ihrem Viehbestand ausreichend Weidefläche zu bieten, was ihre eigene Nahrungssituation bald deutlich verbessern wird.

Andererseits besteht in einigen unserer Einsatz-Gebiete, hauptsächlich in AmTiman und Bokoro, die Mehrheit der Bevölkerung aus Landwirten ohne Vieh. Sie müssen ihre Äcker jetzt zu einem Zeitpunkt besäen, zu dem bereits Teile der Saat von den Regenfällen und Überschwemmungen weggespült werden. Dies könnte die ersten Ernten, mit denen im späten Oktober, November gerechnet würde, stark verzögern und die Ernährungskrise möglicherweise verschlimmern."

Tatsächlich wurden einige Gebiete im Tschad dieses Jahr von den schlimmsten Überschwemmungen seit mehr als zehn Jahren getroffen. Allein im Sebab Gebiet, in der Nähe von AmTiman, wo Ärzte ohne Grenzen ein 100- Betten-Krankenhaus betreut, sind etwa 6.000 Menschen betroffen. "Der gegenwärtige Zustand der Bevölkerung in Sebab erlaubt es ihnen noch nicht einmal ein Feuer zu machen. Eine gerade erbaute ein Meter hohe Mauer aus Sandsäcken, die einen Teil des Dorfes und des Gesundheitszentrums schützen sollte, wurde bereits wieder vom Wasser abgetragen", sagt Jean-Francois Harvey, Projektkoordinator für Ärzte ohne Grenzen in AmTiman. "Ein Vertreter, mit dem ich mich vergangene Woche in AmTiman traf, erzählte mir, dass die Bewohner aus Angst vor größeren Überschwemmungen kaum schliefen. Zurzeit werden sie von beiden Seiten vom Wasser eingeschlossen, was ihnen auch den Weg zu Ärzte ohne Grenzen stark erschwert. Sie müssen dorthin schwimmen oder mit Rädern fahren."

In Kerfi, wo Ärzte ohne Grenzen ebenfalls eine Gesundheitseinrichtung betreut, sind etwa 5.000 Menschen von den Überschwemmungen betroffen. Ärzte ohne Grenzen stellt zusätzlich leere Säcke zur Verfügung, um weitere Dämme zu errichten, und sucht nach weiteren Wegen, um die konkreten Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung noch besser einzuschätzen.

Zunahme der Malariafälle

"Im Juli sind viele unserer Patienten in Kerfi nicht zurückgekommen, weil sie außerhalb der Stadt leben und durch die Überschwemmungen isoliert worden sind und nicht im Stande waren, unser Gesundheitszentrum zu erreichen. Die Leute im Tschad hat es damit doppelt unglücklich getroffen: Der ausbleibende Regen verursachte die Nahrungsmittelkrise, welche jetzt durch zu viel Regen verschlimmert wird", sagt Dr. Edoh.

Ein weiterer unangenehmer Faktor, der sich mit dem Regen verschärft, ist eine Zunahme der Malaria-Fälle. Mit einem beschränkten Zugang zur Behandlung wird Malaria zur zusätzlichen Bedrohung für jene, die ohnehin anfällig und mangelerernährt sind: Kinder. "Wir werden daher von einer unter Umständen tödlichen Mischung aus Mangelernährung, Malaria und den Überschwemmungen konfrontiert", erläutert Dr. Edoh.

Sterblichkeitsrate signifikant gesunken

In Bokoro und AmTiman wurden zwischen Mai und Juli 1.914 Kinder ins Ernährungsprogramm von Ärzte ohne Grenzen aufgenommen. "Als wir unseren Einsatz in Bokoro im Mai starteten, sahen wir viele Kinder sterben. Die meisten von ihnen kamen einfach zu spät zu uns, auch weil viele Eltern zunächst nur auf traditionelle Heiler vertrauten. Mit mehr Personal und Krankenhelfern aus den Gemeinden konnten wir dennoch größere Aufmerksamkeit und Akzeptanz in den Gemeinschaften bewirken, diese für uns sensibilisieren und die Qualität der Betreuungen in den Ernährungseinrichtungen erhöhen. Als erste Folge sank die Sterblichkeitsrate in unseren Ernährungsprogrammen signifikant von 21 Prozent im Juni auf 5 Prozent im Juli."

Und die Bemühungen von Ärzte ohne Grenzen halten weiterhin an. Neue Ernährungseinrichtungen werden eröffnet und neue Einsatzgebiete über das ganze Land erschlossen. Derzeit betreut Ärzte ohne Grenzen Ernährungsprogramme sowohl in den Tschad-Regionen Hadjer Lamis, Batha, Guéra Chari Baguirmi, Ouaddai und Salamat als auch in der Hauptstadt N'Djamena. Von Anfang des Jahres bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden 15.776 unterernährte Kinder in das Ernährungsprogramm von Ärzte ohne Grenzen aufgenommen, die große Mehrheit davon in den vergangenen drei Monaten.