Vom Musikfestival in ein Hilfsprojekt: Der Weg eines Logistikers nach Jordanien

"Wenn sich manche Leute einen Logistiker bei Ärzte ohne Grenzen vorstellen, dann denken sie an jemanden, der unter dem Motor eines Geländewagens liegt oder an einem Generator herumschraubt..."
04.10.2016
Joseph Pickett
MSF
Joseph Pickett is an Australian logistician who spent his last assignment in MSF Irbid program. He found that the skills he gained managing theatre, circuses and music festivals would interestingly transfer to humanitarian aid in his role as a Logistician Manager in MSF maternity hospital in northern Jordan.

Theaterproduktionen, Zirkus-Shows, Musikfestivals – lassen sich professionelle Erfahrungen aus diesen Bereichen auch auf die Arbeit in einem Hilfsprojekt anwenden? Joseph Pickett aus Tasmanien, einer Insel südlich von Australien, wollte es wissen – und bewarb sich als Logistiker bei Ärzte ohne Grenzen. Als solcher war er in unserem Mutter-Kind-Spital in Jordanien und erzählt über die spannendsten Aspekte seiner Rolle und wie es war, erstmals in einem medizinischen Umfeld tätig zu sein:

“Wenn sich manche Leute einen Logistiker bei Ärzte ohne Grenzen vorstellen, dann denken sie an jemanden, der unter dem Motor eines Geländewagens liegt oder an einem Generator herumschraubt. Doch für mich macht händische Arbeit tatsächlich nur 20 Prozent meines Alltags aus. Die anderen 80 Prozent verbringe ich damit, ein Team zu leiten, Dienstpläne zu erstellen, Emails zu beantworten… also all die anderen Dinge, die passieren müssen, damit ein Projekt rund läuft.

Ich war in einem Mutter-Kind-Spital von Ärzte ohne Grenzen in Irbid tätig, das liegt im Norden von Jordanien. Dort bieten wir eine kostenlose Gesundheitsversorgung an, um die Bedürfnisse von syrischen Flüchtlingen und den gefährdetsten Teilen der jordanischen Bevölkerung zu stillen. Laut dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR haben bereits mehr als 650.000 Syrer die Grenze überschritten, um in Jordanien Schutz zu suchen.

Von Geburtshilfe bis zu psychologischer Betreuung

Im Krankenhaus ist immer viel los. Neben der Geburtsabteilung gibt es auch eine Intensivstation für Neugeborene und eine psychologische Kinderklinik. Ungefähr vier Psychologen arbeiten dort, und pro Woche kommen jede Menge Kinder zu ihnen. Ärzte ohne Grenzen ist die einzige internationale NGO, die hier in der Stadt psychologische Hilfe anbietet – und der Bedarf ist riesig. Die gesamte Warteliste stand bereits bei 160 Personen, als ich das Projekt verließ.

Glücklicherweise haben wir ein großartiges Team. Mein engster jordanischer Mitarbeiter war Baseem. Er war mein Logistik-Assistent und wurde in die Position des logistischen Leiters befördert. Nach seinen beruflichen Erfahrungen im Bereich Tourismus und IT begann er bei Ärzte ohne Grenzen als Fahrer. Nun ist er bereits seit fast zwei Jahren hier im Projekt in Irbid und es ist wundervoll, eine Karriere wie die seine innerhalb von Ärzte ohne Grenzen zu sehen.

MSF
Joseph Pickett mit Bassim (links), dem Logistik-Supervisor und Mountesar, einem Fahrer.

Wie funktioniert ein Krankenhaus?

Der spannendste Aspekt war für mich, zum ersten Mal sowohl das Logistik-Team als auch damit den Arbeitsfluss innerhalb eines Krankenhauses mit zu leiten. Es war mir wirklich eine Freude, all die Ausrüstung und verschiedene Abläufe kennen zu lernen. Ich komme beruflich eigentlich aus dem Bereich Eventmanagement – ich habe an Theatern gearbeitet, für Zirkusproduktionen, bei Musik- und Kunstfestivals. Aber dieses Wissen und diese Fähigkeiten sind übertragbar; die Arbeit eines Logistikers bei Ärzte ohne Grenzen ist so wie das Projektmanagement in vielen anderen Branchen. Du musst kein professioneller Elektriker oder Installateur sein, wenn Du als Allrounder in einem Projekt bist. Aber du musst es schaffen, Aufgaben effektiv zu planen und zu priorisieren, und die Menschen dazu bringen, Dinge innerhalb einer gewissen Zeit und mit einem vorgegeben Budget zu erledigen. Aber auch Spezialisten arbeiten für Ärzte ohne Grenzen, zum Beispiel Elektriker oder Mechaniker. Oft besuchen sie Projekte für wenige Wochen und helfen bei spezifischen Problemstellungen.

Die größte Herausforderung für mich war mein fehlendes Arabisch – denn es gibt in Irbid nicht sehr viele Leute, die Englisch sprechen. Ich habe daher sehr eng mit meinen einheimischen Kollegen zusammen gearbeitet, um die Sprachbarrieren zu überbrücken. Es gab auch einige kulturelle Unterschiede, an die ich mich gewöhnen musste – zum Beispiel waren meine letzten paar Wochen im Projekt genau während des Ramadan. Im Sommer, mit den langen und heißen Tagen, ist das Fasten für die Menschen nicht einfach. Aber es war auch eine Gelegenheit für mich, viel mit ihnen zu teilen. Diese verschiedenen Arten des Zusammenarbeitens gemeinsam zu umschiffen war sehr bereichernd.

Eine erfüllende Erfahrung

Die Standards der medizinischen Versorgung in Jordanien sind sehr hoch, deshalb ist Irbid für Ärzte ohne Grenzen eher ein untypisches Umfeld. Bei meinem nächsten Einsatz würde ich mich gerne in einem Hilfsprojekt einbringen, das am anderen Ende des Spektrums liegt. Aber natürlich stehe ich mit Freuden für jedes Projekt von Ärzte ohne Grenzen rund um den Globus zur Verfügung. Es ist eine sehr erfüllende Erfahrung und eine erfreuliche Herausforderung, in verschiedenen Kulturen zu arbeiten, um Menschen zu helfen, die in Not sind.“

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