Wasser, Recycling und Impfungen: Der Kampf gegen Cholera und Typhus in Simbabwe

26.02.2020
In der simbabwischen Hauptstadt Harare haben wir mit Hilfe von innovativer Bohrtechnik und enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung ein hochwirksames Umweltgesundheitskit entwickelt.

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MSF’s environmental health approach to fighting typhoid and cholera in Zimbabwe
Samuel Sieber/MSF
Women fetching water at a water point in the informal settlement of Stoneridge in Southern Harare. MSF drilled the solar-powered borehole and trained the local community health club, who is now maintaining the site.

In der simbabwischen Hauptstadt Harare sind regelmäßige Ausbrüche von Cholera und Typhusfieber ein ernstzunehmendes Gesundheitsproblem. In vielen Vororten ist die Wasserversorgung unzuverlässig, und undichte Abwasserrohre, Plumpsklos und ein schlechtes Wassermanagement verunreinigen das Grundwasser. Mithilfe innovativer Bohrtechnik und enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung hat Ärzte ohne Grenzen ein hochwirksames Umweltgesundheitskit entwickelt.

Ein schmaler, spärlich beleuchteter Gang führt zu einem Dutzend heruntergekommener Wohnblöcke in Harare. Die verwitterten Gebäudefassaden sind mit Satellitenschüsseln und Wäscheleinen überzogen, und mehrere Gruppen von Kindern spielen zwischen Regenpfützen im Hof. Vor dem benachbarten Gebäude überquillt ein Müllcontainer in ein Feld von Haushaltsabfällen und Plastik.

Gesundheitsrisiko durch Abwasser & Abfälle

Die kasernenartige Siedlung stammt noch aus der Zeit vor Simbabwes Unabhängigkeit, und die Einzimmerwohnungen waren einst für alleinstehende, männliche Migranten gedacht, die im naheliegenden Zentrum arbeiteten. Heute leben über 20.000 Menschen in diesen Wohnungen und bis zu vier Familien teilen sich einen kleinen Raum. Die unzuverlässige Trinkwasserversorgung, verstopfte oder leckende Abwasserrohre und das Fehlen einer Müllabfuhr machen Harares Vororte anfällig für wiederholte Ausbrüche von Krankheiten wie Cholera und Typhus, die auf die Wasserverunreinigung zurückzuführen sind.

„Wir sind uns bewusst, dass Abwasser und Abfälle ein Gesundheitsrisiko für uns darstellen”, sagt Jane Masanga, eine Mutter von drei Kindern, die in einem der Gebäude direkt neben dem riesigen Müllberg wohnt. „Doch momentan haben wir ein einziges Bohrloch genau neben der Hauptstraße, aus dem wir das Wasser von Hand hochpumpen müssen, und keine Möglichkeit, Haushaltsabfälle zu entsorgen oder zu recyceln“, fügt sie hinzu.

Neue Bohrtechnik als Lösung

An einem bewölkten Dezembermorgen dröhnt der Lärm eines schweren Bohrfahrzeugs durch die Siedlung. Ärzte ohne Grenzen bohrt mithilfe einer ortsansässigen Bohrfirma neben der alten Handpumpe neben dem Haupteingang ein neues Bohrloch. Von dort aus verbinden Rohre die neue Wasserstelle mit Wasserhähnen.

„Wir bohren 80 Meter in die Tiefe und bauen eine über die Jahre immer weiter verbesserte sanitäre Dichtung ein, um Verunreinigungen durch Abfall, Abwasser oder seichtes Grundwasser zu vermeiden“, erklärt Danish Malik, Koordinator des regionalen Umweltgesundheitsprojekts in Harare.

Die neue Bohrtechnik gehört zu einem kompletten Umweltgesundheitskit, das von Ärzte ohne Grenzen entwickelt wurden. Wo möglich, wird ein speziell ausgestattetes Fahrzeug zur Diagnose und Reparatur existierender Bohrlöcher verwendet, anstatt neue zu bohren, was oftmals kosteneffizienter ist. Mithilfe von elektromagnetischen Positionsbestimmungssystemen können zudem die besten Bohrstellen ermittelt werden. Seit 2016 wurden 50 Wasserstellen wiederaufbereitet, und zwölf neue Bohrlöcher wurden gebohrt.

Enge Zusammenarbeit mit der Bevölkerung

Die treibende Kraft hinter dem Kit sind allerdings die Gemeindemitglieder aus den Vororten Harares. Nach den Bohrungen und Ausbesserungen einer Wasserstelle schulen unsere Teams eine kleine Gruppe von Schulungsleitern vor Ort, um einen gemeinnützigen Gesundheitsclub zu gründen. Diese Gesundheitsclubs verwalten und warten dann die Wasserstelle in Eigenregie, stellen die Wasserqualität sicher und übermitteln den lokalen Gemeindemitgliedern wichtige Mitteilungen zu Gesundheit und Hygiene.

„Für einen US-Dollar im Monat können wir über 250 Familien in unserem Viertel jeden Tag mit sauberem Wasser versorgen, das nötige Chlor kaufen, die Pumpe warten und Investitionen aufbringen, um unsere Wasserstelle für jeden sicher und zugänglich zu machen”, erklärt Nyarai Dzingai, eine Mitarbeiterin in einem Gemeinde-Gesundheitsclub in Kuwadzana, einem anderen Vorort im Westen von Harare.

Hier führte Ärzte ohne Grenzen 2017 mehrere Bohrungen infolge eines Typhusfieberausbruchs in der Nähe alter Bohrlöcher und von Hand gegrabener Brunnen durch und reparierte die vorhandenen Wasserstellen. Die Clubs helfen außerdem dabei, wichtige Gesundheitstipps für kleinere Leiden zu vermitteln. „Manchmal schlüpfen wir auch in die Rolle von Krankenschwestern und erklären Müttern, wie sie Salz- oder Zuckerlösungen für ihr Kind oder ihren Mann zubereiten können”, fügt Nyarai hinzu.

Gemeinnützige Gesundheitsclubs

Die starke Einbindung aller ist die wichtigste Zutat für das nachhaltige Erfolgsrezept der gemeinnützigen Gesundheitsclubs. „Wir führen Schulungen in Clubs durch, damit diese schon von Beginn an autonom arbeiten können und nicht auf die Hilfe von uns angewiesen sind”, erklärt unsere Gesundheitspromotorin Kudakwashe Sigobodhla. Momentan gibt es über 70 Gesundheitsclubs in Harare und viele konnten Investitionen für Abzäunungen und Erweiterungen der Wasserstellen tätigen.

Dieses Jahr werden Nyarai und ihre Kollegen im Gesundheitsclub in Kuwadzana zusätzliche Schulungen zur Überwachung von Krankheitsausbrüchen erhalten. „Wir engagieren die Gesundheitsclubs, schwere Fälle von Durchfall zu melden”, sagt Reinaldo Ortuño Gutierrez, der medizinische Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Simbabwe. „Gleichzeitig führen wir eine Studie durch, bei der die Wirksamkeit eines neuen Typhusimpfstoffs überprüft wird. So können in Zukunft weitere Ausbrüche der Infektionskrankheit durch verunreinigtes Grundwasser besser vermieden werden.“

Durch die Kombination aus technischen und medizinischen Elementen und solchen, die die Gemeinde zum Handeln befähigen, kann das anpassbare Kit auch für größere umweltmedizinische Eingriffe genutzt werden, die weit über den Einsatz in Simbabwe hinausgehen. Über das Jahr 2019 hinweg installierte unser regionales Umwelt­gesundheitsteam in Kooperation mit lokalen Partnerorganisationen 19 Wasserstellen mit Gemeinde-Gesundheitsclubs in Malawi und sechs zusätzliche in Mosambik.

Innovatives Abfallmanagement

Am Bohrungsort in Mbare bricht die Nacht ein, als das Team das 20 Meter lange Kunststoffrohr zementiert, das den oberen Teil des Bohrlochs versiegelt. Sobald das neue Bohrloch einsatzfähig ist, folgen zwei neue Initiativen, um die Müllberge und die Verschmutzung des seichten Grundwassers durch leckende Abwasserleitungen einzudämmen.

Zusammen mit lokalen Partnern, die recycelbare Stoffe von den Gemeinden in ganz Mbare zurückkaufen, testen wir ein neues Abfallmanagement. In Stoneridge, einer informellen Siedlung leicht außerhalb von Harare, stattete das simbabwische Unternehmen Jojatis vor kurzem im Rahmen eines Pilotprojekts zehn Haushalte mit einem dezentralisierten System zur Reinigung und Aufbereitung von Abwasser aus, das sich Regenwürmer zunutze macht.

„Wir analysieren diese Abfallmanagementinnovationen gemeinsam mit Forschungspartnern von der University of Zimbabwe. Wenn sich diese bewähren, integrieren wir die neuen Techniken wiederum in unser Umweltgesundheitskit und stellen sie den Kollegen in der Region zur Verfügung”, fügt Danish Malik hinzu.