Innovative Technologien für eine verbesserte Tuberkulose-Behandlung in Papua-Neuguinea

19.11.2014
Ärzte ohne Grenzen startete neues Hilfsprojekt in schwer betroffener Provinz

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In einem ersten Test wurden unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs) zum Transport von Sputum-Proben aus entlegenen Gebieten in das Krankenhaus in Kerema eingesetzt. Hier entnimmt unsere Labor-Leiterin Lise Marchand die Probe, um sie im Labor zu untersuchen.
Aris Messinis/Matternet
Kerema, Papua-Neuguinea, 09.05.2009: In einem ersten Test wurden unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs) zum Transport von Sputum-Proben aus entlegenen Gebieten in das Krankenhaus in Kerema eingesetzt. Hier entnimmt unsere Labor-Leiterin Lise Marchand die Probe, um sie im Labor zu untersuchen.

Papua-Neuguinea hat eine der höchsten Tuberkulose-Raten weltweit – jährlich werden 541 neue Fälle pro 100.000 EinwohnerInnen festgestellt. In manchen Gebieten wurde sogar eine dreifach höhere Zahl gemeldet. Ärzte ohne Grenzen startete daher ein neues Hilfsprojekt in einer der am schwersten betroffenen Provinzen. Dabei spielen innovative Technologien eine wichtige Rolle – wie unbemannte Luftfahrzeuge, die Sputum-Proben aus entlegenen Gebieten in ein Krankenhaus transportieren.

Ärzte ohne Grenzen konzentrierte sich nach einer Analyse der Bedürfnisse der Bevölkerung in Papua-Neuguinea auf die Golf-Provinz an der südlichen Küste, da in diesem Gebiet die Tuberkulose-Rate als besonders hoch eingeschätzt wird – auch ein Anstieg an medikamentenresistenter Tuberkulose gibt Grund zur Sorge. Außerdem haben viele entlegene Dörfer nur einen eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsversorgung.

Eigene Tuberkulose-Klinik gestartet

Ärzte ohne Grenzen initiierte gemeinsam mit den lokalen Gesundheitsbehörden eine eigene Tuberkulose-Ambulanz im allgemeinen Krankenhaus in Kerema – mit entsprechender Infektionskontrolle und Patientendurchlauf: „Als Ärzte ohne Grenzen Mitte 2014 in Kerema ankam, mussten wir feststellen, dass die Infektionskontrolle im Krankenhaus völlig unzureichend war“, so Projektkoordinator Cyrus Paye. „Wir versuchen daher, Tuberkulose-Untersuchungen zu ermöglichen, ohne uns selbst und andere anzustecken.“

Das Team half auch bei Sanierung des Labors im Krankenhaus: Neue Geräte wie GeneXpert liefern ein Testergebnis innerhalb von zwei Stunden – statt Wochen warten zu müssen. „Das Ziel ist, die Diagnose-Möglichkeiten massiv zu verbessern, damit eine Behandlung so rasch wie möglich begonnen werden kann“, erklärt Benjamin Gaudin, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Papua-Neuguinea.

Derzeit wird eine neue Tuberkulose-Station mit einer Kapazität von 18 Betten gebaut. So können Tuberkulose-PatientInnen von anderen stationär aufgenommenen PatientInnen getrennt und eine mögliche Ansteckung vermieden werden. Als nächster Schritt sollen die Tuberkulose-Leistungen dezentralisiert werden. Doch die geographischen Bedingungen und schlechte Straßenverhältnisse erschweren dieses Vorhaben.

Schlechte Straßen erschweren Projekt-Fortschritt

Nach monatelangem Regen hat sich die Straße zwischen Kerema und der Hauptstadt Port Moresby an vielen Stellen in eine Schlammpiste verwandelt. So verzögerte sich der Ausbau der Tuberkulose-Station – Lastwägen konnten nicht bis nach Kerema fahren.

Auch der Zugang zu entlegenen Gebieten und Gesundheitszentren ist schwierig: Selbst wenn manche Dörfer auf dem Wasserweg erreichbar wären, sind Bootsfahrten wegen der tückischen Verhältnisse im Korallenmeer unsicher. In den Flüssen wiederum leben große Salzwasser-Krokodile, und im Dschungel tödliche Schlangen. Die lokale Gemeinde trauert immer noch über den Tod eines Kindes, das im Mai von einem vier Meter langen Krokodil nahe Kerema getötet worden war.

Hilfe durch innovative Technologie

Diese Schwierigkeiten haben das Team dazu gebracht, innovative Lösungen zu entwickeln. Ärzte ohne Grenzen und die u.s.-amerikanische Firma Matternet setzten in einem ersten Versuch unbemannte Luftfahrzeuge ein, kurz „UAV“ (engl. f. „Unmanned Aerial Vehicle“). Diese Quadrokopter mit vier Propellern transportieren Sputum-Proben von PatientInnen mit dem Verdacht auf Tuberkulose von entlegenen Gesundheitszentren zur Untersuchung in das allgemeine Krankenhaus in Kerema.

Es wäre auch möglich, auf diesem Weg Testergebnisse und Medikamente zurück in die entlegenen Einrichtungen zu transportieren. Der erste Testflug fand zwischen dem Gesundheitszentrum in Malalaua und dem Krankenhaus in Kerema statt: Für die Strecke braucht das Luftfahrzeug rund 50 min. – der Weg würde auf den schlechten Straßen trotz Allrad-Antrieb rund vier Stunden dauern.

Derzeit können die UAVs mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometern in einem Radius von 28 Kilometern eingesetzt werden – allerdings nur unter optimalen Bedingungen und mit einem geringen Ladegewicht. Doch der Bewegungsradius wird in den kommenden Jahren dank der Entwicklung leichterer und stärkerer Akkus deutlich größer werden. Ein UAV wird mit einem Smartphone gesteuert, damit sie auch von auch MitarbeiterInnen ohne technischer Ausbildung bedient werden können.

Auch wenn der Einsatz von UAVs in der Einführungsphase noch genau geprüft werden muss, zeigen die ersten Ergebnisse, dass diese Methode zukünftig sehr nützlich dabei sein könnte, entlegene Gesundheitseinrichtungen mit kaum erreichbaren Krankenhäusern zu vernetzen.

Maßtäbe effektiver Tuberkulose-Behandlung

Sobald das Projekt in der Golf-Provinz seine volle Kapazität erreicht hat, soll das Programm 2015 auch auf den Hauptstadt-Bezirk von Port Moresby erweitert werden. Ziel von Ärzte ohne Grenzen ist, das Gesundheitsministerium bei der Implementierung eines effektiven Behandlungsmodells in Kerema zu unterstützen, das dann in andere Gegenden übertragen werden kann. „Wir arbeiten eng mit den Behörden zusammen und passen uns an die nationale Strategie an“, so Benjamin Gaudin. „Unser Ziel für die nächsten fünf Jahre ist, ein Tuberkulose-Programm zu entwickeln, das auf andere Regionen übertragbar und damit nachhaltig ist.“

Ärzte ohne Grenzen ist seit 2009 in Papua-Neuguinea tätig. Die aktuellen Projekte bestehen aus einem Programm gegen familiäre und sexuelle Gewalt in Tari und dem Hauptstadt-Bezirk sowie dem Tuberkulose-Projekt in der Golf-Provinz. In der Vergangenheit wurden auch Projekte für Gewaltopfer in Lae und ein Mutter-Kind-Gesundheitsprojekt in Bougainville durchgeführt.