Die Last der Gewalt in Diffa

Seit mehr als drei Jahren ist die Bevölkerung rund um den Tschadsee den Kämpfen zwischen Boko Haram und dem Militär ausgesetzt. In der nigrischen Grenzstadt Diffa leben laut offiziellen Angaben inzwischen mehr als 240.000 Vertriebene.

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12.05.2017
Humanitarian crisis in Diffa, Niger
Juan Carlos Tomasi/MSF
Diffa region. Chetimari health centre, supported by MSF. Patients treated in triage.

Seit mehr als drei Jahren ist die Bevölkerung rund um den Tschadsee den Kämpfen zwischen Boko Haram und dem Militär ausgesetzt. Viele mussten fliehen und alles zurücklassen. Sie fanden Zuflucht in anderen Dörfern oder flohen über die Grenze. In der nigrischen Grenzstadt Diffa leben laut offiziellen Angaben inzwischen mehr als 240.000 Vertriebene. Die Mehrzahl von ihnen muss von einem Ort zum nächsten fliehen, um der ständigen Gewalt zu entkommen.

Konsequenzen eines andauernden Konflikts

Auch wenn die Lage in den vergangenen Monaten etwas ruhiger war, bleibt die Situation in Diffa angespannt. Einzelne Angriffe von Boko Haram sowie Militäroffensiven zwingen viele Menschen immer wieder zur Flucht, um sich in Sicherheit zu bringen. Garba arbeitet als Wachmann für Ärzte ohne Grenzen in Garin Wazam – einem Lager für Vertriebene 58 Kilometer von Diffa entfernt. Er erinnert sich an die vielen Stationen seiner drei Jahre dauernden Flucht: „Nachdem ich mein Dorf in Kamerun verlassen hatte, musste ich etwa 15 Mal weiterziehen. Erst nach Nigeria, dann in den Niger. Wegen der ständigen Angriffe musste ich einen Ort nach dem anderen verlassen.“ Garba ist einer von vielen in Diffa, die die verheerenden Folgen des Konflikts erleben.

Medizinische Hilfe für die, die sie am meisten benötigen

Trotz der Präsens mehrerer humanitärer Organisationen in Diffa fehlt es an Koordinierung, um allen Grundbedürfnissen nachzukommen. In den Einrichtungen für Vertriebene haben Familien kaum Zugang zu ausreichend Wasser und sanitären Einrichtungen.

Die großen Distanzen und die Sicherheitslage stellen die nigrische Gesundheitsversorgung vor große Probleme. Ein weiteres Problem ist, dass Behandlungen, Labortests und Medikamente kostenpflichtig sind, so dass viele sich die dringend benötigte medizinische Hilfe nicht leisten können.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet in acht Gesundheitszentren in den Regionen Diffa, Bosso und Nguigmi, um Hilfe bei der medizinischen Grundversorgung, Mutter-Kind-Gesundheit und psychologischen Hilfe zu leisten. Zusätzlich werden Impfkampagnen und Projekte zur Behandlung mangelernährter Kinder organisiert.

Ärzte ohne Grenzen kümmert sich vor allem um jene, die die Hilfe am meisten benötigen, sowohl in der nigrischen Bevölkerung als auch um Vertriebene. „Die Gemeinde Toumour liegt 80 Kilometer von Diffa entfernt und ist aufgrund der Kämpfe komplett isoliert“, erklärt Audace Ntezukobagir, Notfallkoordinatorin in Diffa. „Den Menschen fehlt Nahrung, Wasser und Arbeit. Im Gesundheitszentrum vor Ort, in dem Ärzte ohne Grenzen mit den Behörden zusammen arbeitet, können rund 3.900 Menschen im Monat kostenlos behandelt werden.“

Atemwegsinfekte: Besonders betroffen sind Frauen und Kinder

Besonders in den ersten Monaten des Jahres müssen viele Menschen mit akuten Atemwegsinfekten behandelt werden. Besonders betroffen sind Frauen und Kinder. „Die Infekte werden durch das trockene Klima, vor allem in der Trockenzeit, und durch die schlechten Lebensverhältnisse ausgelöst“, sagt Audace Ntezukobagir. „Aufgrund der schlechten Qualität und dem generellen Mangel an Wasser leiden viele Menschen auch an Durchfall.“ Auch der jüngste Hepatitis-E-Ausbruch zeigt, wie dringend der Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen für Vertriebene ausgebaut werden muss.

Psychologische Hilfe für traumatisierte Menschen

Der Großteil der Vertriebenen in Diffa hat Traumatisches während des andauernden Konflikts erlebt. Ärzte ohne Grenzen bietet daher psychologische Hilfe in Form von Einzelsitzungen, psychologischer Betreuung und Hilfe auf kommunaler Ebene an. Seit Anfang des Jahres werden auch Gruppensitzungen abgehalten. „Die Teilnehmer unserer Gruppensitzungen sind geflüchtete Frauen, die Opfer des Konflikts geworden sind“, sagt Yacoubou Harouna, Psychologe für Ärzte ohne Grenzen in Diffa. „In den Diskussionen sollen sie aus der Isolation geholt werden. Sie teilen das Erlebte und finden zusammen Lösungen. Gemeinsam können sie die ähnlichen traumatischen Erlebnisse bewältigen.“

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit Ende des Jahres 2014 in der Region Diffa, um den Menschen zu helfen, die vor der Gewalt durch Boko Haram und Militäroffensiven fliehen müssen. Ärzte ohne Grenzen bietet kostenlose medizinische und psychologische Hilfe in acht Gesundheitszentren der Region. Die Organisation unterstützt zudem den Zugang zu Trinkwasser, die Einrichtung von Latrinen und die Verteilung von wichtigen Gütern in verschiedenen Städten und Orten, in denen Vertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrer sich versammelt haben.

Zusätzlich unterstützt Ärzte ohne Grenzen das Gesundheitsministerium in zwei Krankenhäusern: Das Bezirkskrankenhaus Nguigmi und das Gesundheitszentrum für Schwangere und Kinder in der Stadt Diffa. In beiden Krankenhäusern unterstützt Ärzte ohne Grenzen u.a. die Mutter-Kind-Station und leistet psychologische Hilfe. Im Krankenhaus Nguigmi werden zusätzlich Kinder mit schwerer akuter Mangelernährung behandelt.