Hunderte Verletzte unter Vertriebenen aus Ost-Ghuta – im Nordwesten wird dringend medizinische Hilfe gebraucht

17.04.2018
Fast 60.000 Menschen wurden innerhalb von nur einem Monat aus dem umkämpften Ost-Ghuta nach Nordwest-Syrien in die Provinz Hama gebracht. Ein Großteil davon benötigt Hilfe. Wir beteiligen uns an der medizinischen Erstversorgung, indem wir das Hauptkrankenhaus unterstützen.
Ein medizinisches Zelt in Kalaat al-Madik. Bis zu 300 Menschen werden im Hauptkrankenhaus täglich behandelt.

Fast 60.000 Menschen wurden innerhalb von nur einem Monat aus dem umkämpften Ost-Ghuta nach Nordwest-Syrien in die Provinz Hama gebracht. Ein großer Teil der Männer, Frauen und Kinder benötigt Hilfe. Wir beteiligen uns an der medizinischen Erstversorgung, indem wir das Hauptkrankenhaus unterstützen. Beinahe 300 Menschen täglich werden hier von ein paar Dutzend medizinischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen behandelt. Manchmal kommen Tausende Patienten und Patientinnen auf einmal.

Refaat Al-Obed, medizinischer Direktor des Kalaat al-Madik Krankenhauses, arbeitet dort seit anderthalb Jahren und kennt ähnliche Situationen: „Jedes Mal, wenn so etwas passiert, versuchen wir, so viel wie möglich vorzubereiten. Als wir vor ein paar Wochen informiert wurden, dass Menschen aus Ost- Ghuta kommen würden, machten wir uns bereit. Wir haben uns mit Ärzte ohne Grenzen in Verbindung gesetzt und die Organisation gebeten, uns mit medizinischen Hilfsmitteln und Geräten auszustatten, damit wir mehr Operationen, Rehabilitationssitzungen und Überweisungen von Patienten an andere Krankenhäuser in der Region durchführen können.“

Das Kalaat al-Madik Krankenhaus liegt direkt an der Front zwischen den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten und denen der bewaffneten Oppositionsgruppen. Somit landen die Menschen, die beispielsweise in die Region Idlib umgesiedelt werden, zuerst in der Region Hama und dort in Kalaat al-Madik. Treffend wird der Ort daher auch „Nullpunkt“ genannt.

„Es hat uns kalt erwischt, als 5.000 Menschen vor unserer Einrichtung abgesetzt wurden“

Als die Menschen aus Ost-Ghuta ankamen, gerieten Refaat Al-Obed und sein Team unter Druck. Mit einem Schlag wurden am ersten Tag 5.000 Personen vor dem Krankenhaus abgesetzt. „Wir waren nicht darauf vorbereitet, so viele Menschen zu behandeln“, erklärt der Klinikdirektor, „Jedes Mal, wenn Vertriebene in unserer Gegend ankommen, stehen wir vor den gleichen Herausforderungen und Schwierigkeiten. Aber dieses Mal war allein die Anzahl der Leute viel größer als wir erwartet hatten.“

Hinzu kam, dass mehr als 200 Patienten und Patientinnen mit Kriegsverletzungen darunter waren. Es handelte sich vor allem um Menschen, die bei der Bombardierung während der jüngsten Offensive auf Ost-Ghuta verletzt wurden. Zudem standen 20 hochschwangere Frauen vor der Entbindung, manche benötigten einen Kaiserschnitt. Viele der Verletzungen und Beschwerden erforderten die Behandlung durch Spezialisten. „Wir haben zum Beispiel einige mangelernährte Kinder gesehen. Wir hatten allerdings weder Spezialisten noch die vorgesehenen Ausrüstungen für solche Fälle“, klagt Refaat Al-Obed.

Nur ein Operationssaal für oftmals mehrere Schwerverletzte

Ausgestattet mit nur einem Operationssaal ist es für das Krankenhaus am „Nullpunkt“ nahezu unmöglich, die Patienten und Patientinnen allein zu versorgen. „Zum Beispiel wurde irgendwann auf dem Weg nach Nordwest-Syrien einer der Konvois beschossen und wir hatten acht Patienten mit frischen Schusswunden, die auf einmal aus dem Bus kamen“, erinnert sich Refaat Al-Obed, „Wir hätten zwei bis drei Operationssäle benötigt, um einen solchen Zustrom von Patienten zu bewältigen.“

Eine große Anzahl von Menschen aus Ost-Ghuta hat sich nun in Kalaat al-Madik und Umgebung niedergelassen. Der Druck, der Stress und die Arbeitsbelastung bleiben hoch: Jeden Tag kommen Menschen, die behandelt werden müssen. Die Zahl der Betroffenen, die täglich das Krankenhaus aufsuchten, erhöhte sich in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich. Die Belastung, die auf den syrischen Ärzten und dem syrischen Pflegepersonal liegt, ist kaum in Worte zu fassen. Refaat Al-Obed formuliert es so: „Dieser letzte Monat war sehr schwer für uns: Wir sind nur ein paar Dutzend medizinische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Tausende von Patienten und Patientinnen behandeln."

Der Klinikdirektor und sein Team sind keine Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen. Wir haben der Klinik auf deren Hilferuf hin medizinische Ausrüstung geliefert, inklusive Medikamente und Material für die Operation von Verletzten, sowie ein Zelt für das medizinische Screening und weiteres logistisches Material. Mediziner von Ärzte ohne Grenzen leisten fachliche medizinische Hilfe per Telefon. Darüber hinaus betreiben wir in Nordsyrien fünf Gesundheitseinrichtungen, unterhalten drei mobile Klinikteams und Partnerschaften mit fünf Einrichtungen. Landesweit bieten wir rund 25 Gesundheitseinrichtungen Unterstützung in Regionen, in denen Teams nicht dauerhaft anwesend sein können.