Kommentar von Benjamin Zessner-Spitzenberg
26.08.2022
Mit einem Erinnerungskunstwerk gedenken wir allen verstorbenen Testamentsspender:innen.

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Ärzte ohne Grenzen leistet in mehr als 70 Ländern Nothilfe, um Leben zu retten und Menschen in Not zu helfen. Und wir behandeln weltweit mehr als zwölf Millionen Patient:innen pro Jahr. Spenden aller Art ermöglichen unseren Teams diese humanitäre Arbeit. 

Testamentsspenden sind ein wesentlicher Anteil unserer Spendeneinnahmen. Letztes Jahr kam beinahe jeder österreichische 6. Spendeneuro aus Testamentsspenden. Auch international macht diese Art der Spende jährlich zwischen 15% - 20% der Spendeneinnahmen aus.  

Menschen, die uns in ihrem Testament bedenken, tragen also zu einem wesentlichen Teil dazu bei, unsere humanitäre Arbeit möglich zu machen. Herzlichen Dank! 

Anm. Im Video wird erwähnt, dass wir in mehr als 80 Ländern aktiv sind. Die Zahl unserer Einsatzländer variiert jedoch jährlich. 2022 waren wir in über 75 Ländern aktiv.

Was bleibt von den Menschen, die unsere Arbeit über ihr Leben hinaus unterstützen? 

Welche Erinnerung bleibt von Menschen, die sich über ihr Leben hinaus engagieren? Diese Frage hat uns Anfang 2019 sehr beschäftigt und es entstand die Idee etwas zu schaffen, was unsere Wertschätzung und Dankbarkeit für Testamentsspender:innen sichtbar machen kann. Wir wollten eine Erinnerung im Gedenken an verstorbene Testamentsspender:innen kreieren. Wir wollten etwas Bleibendes schaffen. 

Von mehreren Künstler:innen haben wir dann Vorschläge eingeholt für ein Werk, welches dieses Gedenken würdig präsentiert. Das Konzept von Christian Gold-Kurz für ein Erinnerungskunstwerk hat uns überzeugt. 

Heilmittelspeicher Befüllung Nahaufnahme
Christian Gold-Kurz
Der Heilmittelspeicher wird jährlich befüllt

Das Ergebnis ist ein sich mit Medikamentenkapseln füllendes Kunstwerk. Es trägt im Deutschen den Namen Heilmittelspeicher, bezogen auf das Medikament, welches Heilung bringt. Im Englischen heißt es Memory of Remedy, in Anlehnung an Memory of Pain, das Schmerzgedächtnis. Das Kunstwerk wird zum Heilungsgedächtnis. 

Jede Medikamentenkapsel steht für eine Spender:in

In jeder Pille ist eine kleine Schriftrolle auf der handschriftlich der Name einer Testamentspender:in geschrieben steht. Es sind die Namen von allen Menschen, die seit Bestehen von Ärzte ohne Grenzen Österreich verstorben sind und uns im Testament bedacht haben.

Einmal im Jahr verändert sich der Speicher, indem die neuen Namen der Spender:innen hinzugefügt werden. Wir nehmen uns dann bei einem Meeting aller Mitarbeiter:innen Zeit um den verstorbenen Spender:innen zu gedenken und uns nochmals für deren Großzügigkeit zu bedanken.

Heilmittelspeicher vor der Platzierung
Christian Gold-Kurz
Christian Gold-Kurz bereitet das Kunstwerk für die Platzierung in unserem Büro vor.

Die Betrachter:innen sollen merken, dass es um mehr geht als das was sie sehen.

Fragt man den Künstler an seine Herangehensweise, dann erzählt er zuerst vom Anspruch an seine Kunst: er möchte nicht nur ein persönliches oder ein spezielles Problem aufgreifen, sondern Arbeiten schaffen, die auf viel mehr schließen lassen. Die Betrachter:innen sollen merken, dass es um mehr geht als das was sie sehen. Jedes Werk soll ein Gedankenanstoß sein, um sich mit einem größeren, gesellschaftlich relevanten Themen zu beschäftigen.

Die Annäherung an das Thema Testamentsspende begann für ihn mit der Frage: wie kann man in der Welt einen Eindruck hinterlassen? Mit der Zeit verdichtete sich alles auf den vielleicht banalen Gedanken: etwas in etwas hineintun. Ein Medikament, eine Pille, nimmt man aus der Packung um Heilung zu erfahren. Das Gegenteil gilt für das Kunstwerk. Die Spender:innen fügen etwas hinzu, das Leben ermöglicht.

Mit der Testamentsspende gegen Missstände ankämpfen

Für Christian Gold-Kurz hat das Erinnerungskunstwerk auch eine politische Aussagekraft.

Medizinprodukte sind in der Behandlung von Krankheiten unerlässlich. Von einfachen Kanülen bis hin zu hochkomplexer Maschinerie wie Computertomographen reicht deren Spektrum. Einer der relevantesten Faktoren für die Behandlung von Patient:innen ist in den wirtschaftlich besser gestellten Ländern relativ niederschwellig: die Versorgung mit Arzneimitteln. In Teilen der Welt, die hingegen nicht am verdienenden Ende des globalen Verteilungssystems sind, kann die unzureichende Versorgung Patient:innen tatsächlich töten.

Die vorliegende Arbeit erinnert nun an alle diejenigen, die mittels einer Testamentsspende gegen diesen Missstand ankämpfen. Die im Werk eingebrachten Pillen stehen exemplarisch für die echten Medikamente, die Ärzte ohne Grenzen mit Hilfe der Spender:innen an die Einsatzorte bringt. Hier steht eine Dosis für die vielen Dosen, die durch die von ihr symbolisierten Zuwendungen ermöglicht werden.

Eigentlich sollte die Pharmaindustrie Arzneimittel weltweit zu leistbaren Preisen zur Verfügung stellen. Das stünde auch in ihrer Macht. Die Erfüllung dieser Aufgabe wird aber durch Organisationen wie unserer erfüllt. Unsere Forderung nach einem allgemeinen Zugang zu Medizinprodukten spiegelt sich im Kunstwerk wider.

Ein sensibles Thema

Der Künstler erklärt, dass er zwischendurch auch Zweifel hatte. Nach dem Schreiben der 110. Schriftrolle kam ihm plötzlich der Gedanke: „Oh mein Gott, ich arbeite hier an einem riesigen Grabstein.“ Er fragte sich, ob er den Spender:innen und ihrem Anliegen Genüge tue. Wird sein Werk den toten Menschen gerecht?

Doch er besann sich auf seine ursprüngliche Idee und konnte für sich klar sagen: „Ja, dieses Werk bildet das Persönliche ab und zeigt gleichzeitig ein gesellschaftliches Problem auf. Es ehrt die Spender:innen für ihre Menschenliebe und ihre Weitsicht. Jede einzelne Spender:in hat eine persönliche Geschichte und leistet einen großen Beitrag für eine heilere Welt.“

Heilmittelspeicher
Christian Gold-Kurz
Unser Erinnerungskunstwerk für Testamentspender:innen: der Heilmittelspeicher

Das Erinnerungskunstwerk in unseren Räumen

Wir sind berührt und sehr stolz, dass wir den Heilmittelspeicher in unseren Räumlichkeiten präsentieren können und dass wir so die Spender:innen für immer in Erinnerung behalten. Im Jahr 2022 enthält der Speicher insgesamt die Namen von 353 Menschen, die Ärzte ohne Grenzen Österreich mit einer Testamentsspende über ihr Leben hinaus unterstützt haben. Diesen Menschen sind wir für ihre entschlossene und selbstlose Unterstützung unglaublich dankbar.

Gerne können auch Sie das Kunstwerk besichtigen. Bitte wenden Sie sich hierfür an Daniela Zainzinger:

Daniela Zainzinger

Daniela Zainzinger

PHILANTHROPIE und Testamentsspenden

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