Europäische Staaten müssen Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge aus Libyen dringend verbessern

30.06.2011
Bericht von Ärzte ohne Grenzen beleuchtet die Folgen von mangelhaften Aufnahmebedingungen und unzureichenden Schutzmaßnahmen in Italien und Tunesien.
Italien 2011
Mattia Insolera
Italien, 18.04.2011: Flüchtlinge aus Libyen erreichen Lampedusa nach drei Tagen auf dem Meer in einem alten Fischerboot.

Brüssel/Wien, 30. Juni 2011. Die Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen ruft die am Krieg in Libyen beteiligten Staaten angesichts anhaltender Kämpfe dazu auf, die Flüchtlinge effektiv zu schützen. In dem heute veröffentlichten Bericht "Vom Regen in die Traufe: Die vergessenen Opfer des Libyen-Konflikts" beleuchtet Ärzte ohne Grenzen die Folgen von mangelhaften Aufnahmebedingungen und unzureichenden Schutzmaßnahmen in Italien und Tunesien.

Seit Februar haben Teams von Ärzte ohne Grenzen in Auffanglagern in Italien und Tunesien in mehr als 3.400 psychologischen Beratungsgesprächen Kriegsflüchtlinge betreut. Die meisten kommen aus Ländern südlich der Sahara. Einige von ihnen sind schon in ihren Heimatländern zu Opfern von Gewalt geworden, andere haben auf ihrem Weg nach Libyen äußerst gefährliche Situationen überlebt. Viele wurden in Libyen selbst zum Opfer traumatischer Erfahrungen: Sie wurden in libyschen Gefängnissen oder Internierungslagern eingesperrt, flohen vor Bombardements der NATO oder wurden beim Versuch, Europa zu erreichen, zurückwiesen.

 

Tausende Migranten in Übergangslagern gestrandet

 

Seit Beginn des Krieges sind mehr als 600.000 Migranten aus Libyen geflohen. Die meisten konnten in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Tausende sind aber in Übergangslagern in Tunesien, Ägypten, Italien oder im Niger gestrandet. Da die Bewegungsfreiheit dieser Menschen stark eingeschränkt ist, kommt ein Aufenthalt in den Aufnahmezentren einer Gefängnisstrafe gleich. "Das Asylverfahren ist extrem lang. Viele Menschen sind völlig verzweifelt bei der Vorstellung, Monate oder gar Jahre in diesen Zentren verbringen zu müssen", sagt Francesca Zuccaro, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Italien.

 

Unangemessene Lebensbedingungen

 

Allein im Lager von Choucha in Tunesien leben etwa 4.000 Menschen, die nicht in ihre Heimatländer zurückgebracht werden können, weil es dort zu gefährlich ist. Die Lebensbedingungen im Lager sind für einen längeren Aufenthalt völlig unangemessen und die Sicherheitslage gibt Anlass zur Sorge. Im Mai brachen gewaltsame Auseinandersetzungen aus, die die Verzweiflung der Menschen verstärkt haben. Einige haben das Lager verlassen und versucht, über das Mittelmeer Europa zu erreichen. Mit dem Argument, die illegale Einwanderung zu bekämpfen, verwehren die europäischen Staaten diesen Menschen Schutz und eine menschenwürdige Behandlung. Sie versetzen sie dadurch in eine ungewisse Lage, die ihr Leiden zusätzlich verstärkt. Der Flüchtlingsstrom per Boot nach Italien ist keine "illegale Einwanderung", sondern eine Flucht von Menschen, die Schutz und Sicherheit suchen.

Ärzte ohne Grenzen erinnert alle Kriegsparteien und die Nachbarländer an ihre Verantwortung, gemäß internationalem Recht die Grenzen offen zu halten und den Menschen aus Libyen Schutz zu bieten. Weder schlechte Aufnahmebedingungen noch fehlende Sicherheit dürfen dazu führen, dass Flüchtlinge und Asylsuchende sich in Gefahr begeben.

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