Zentralafrikanische Republik: Extreme Gewalt und angespannte Lage im Westen des Landes

14.02.2014
Anti-Balaka-Milizen umzingeln 8.000 Einwohner Stadt - BewohnerInnen massiv bedroht
CAR MSB5530 Remi Djian web
Remi Djian/MSF
Carnot, Zentralafrikanische Republik, 08.02.2014: Am 1. Februar haben die Anti-Balaka die Stadt Carnot im Westen der Zentralafrikanischen Republik umzingelt. Die massiv bedrohten Menschen haben sich auf das Gelände der christlichen Kirche geflüchtet.

In der Stadt Carnot im Westen der Zentralafrikanischen Republik werden mehr als 1.000 Eingeschlossene, überwiegend Muslime, massiv bedroht. Milizen, die sich Anti-Balaka nennen, halten die 8.000-Einwohner-Stadt seit dem 1. Februar umzingelt. Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen wurden Zeugen direkter Übergriffe auf die in die Stadt geflohenen Muslime, die sie medizinisch versorgen.

In zahlreichen Städten im Westen des Landes ist es in den vergangenen Wochen zu Angriffen auf Muslime gekommen. Aus Angst vor solchen Angriffen ist der überwiegende Teil der ursprünglichen muslimischen Bevölkerung aus Carnot geflohen. Gleichzeitig sind Tausende muslimische Schafhirten vom Stamm der Fulani auf der Flucht Richtung Kamerun durch Carnot gezogen. Viele dieser Nomaden kommen aus Gebieten, die mehr als 100 Kilometer von Carnot entfernt liegen. Seitdem die Anti-Balaka am 1. Februar die Kontrolle über die Stadt übernommen haben, sind mehr als 1.000 von ihnen in der Stadt gefangen. Die meisten haben sich auf das Gelände der christlichen Kirche geflüchtet.

Mit der Ankunft zusätzlicher Anti-Balaka-Gruppen verschärft sich die angespannte Situation täglich. Der Gemeindepfarrer wurde mehrmals bedroht, und einige Entführungen zur Erpressung von Lösegeld haben stattgefunden. Bewaffnete Männer, die immer bedrohlicher auftreten, verkündeten mit Pistolen in ihren Händen, alle Muslime der Stadt mittels Hausdurchsuchungen aufspüren und töten zu wollen. Auch Bewohner, die Muslime verstecken, befinden sich in Gefahr.

Bewaffnete kommen ins Krankenhaus mit der Absicht zu töten

Am 7. Februar stürmte eine der bewaffneten Gruppen ein Haus, in dem sich 86 muslimische Vertriebene versteckten – Männer, Frauen und Kinder. Sieben Männer wurden hingerichtet und drei Menschen mit einer Machete verletzt, darunter ein 12-jähriges Kind. Nach fast zweistündigen äußerst angespannten Verhandlungen schafften Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen endlich, Zugang zu den Verletzten und zu jenen zu erhalten, die sofortige medizinische Hilfe benötigten. Mehrmals verschafften sich bewaffnete Männer auch Zutritt zum Gelände des Krankenhauses, in dem Ärzte ohne Grenzen tätig ist, mit der Absicht, Patienten zu töten – vor allem Fulani – oder um Vertriebene anzugreifen, die sich dort aufhalten. Die Teams im Krankenhaus mussten mehrfach eingreifen.

Am 9. Februar organisierte Ärzte ohne Grenzen den Transfer mehrerer schwer Verwundeter mit Flugzeugen. Doch Männer der Anti-Balaka besetzten den Landestreifen und verhinderten so sämtliche Landungen und Abflüge. Nach neuerlichen Verhandlungen konnte Ärzte ohne Grenzen die Flugpiste frei bekommen. Da die Sicherheit eines Patienten während seines Transports zum Flughafen aber nach wie vor nicht garantiert werden konnte, wurden nur zwei Patienten nach Bangui gebracht.

Immer mehr Menschen suchen in der Pfarrei Zuflucht

Da die Einheit der UN-Eingreiftruppe MISCA aus Kamerun in Carnot nicht groß genug ist, um in der gesamten Stadt präsent zu sein, hat sie die Vertriebenen in der Pfarrei versammelt, die unter ihrem Schutz steht. Die Zahl der Menschen aus Carnot und Umgebung, die hier Zuflucht gesucht haben, unter ihnen auch immer mehr Christen, steigt weiter. Ärzte ohne Grenzen kümmert sich um diese Vertriebenen mit medizinischer Erstversorgung, der Bereitstellung von Trinkwasser und Nahrungsmitteln sowie dem Bau von Latrinen und Duschen.

Zwischen dem 21. Januar und 1. Februar hat das Krankenhaus der Stadt, das von Ärzte ohne Grenzen unterstützt wird, 34 Menschen mit Schusswunden aus der Region behandelt. Zwischen dem 1. und 8. Februar wurden 35 Patienten aufgenommen und über 18 Tote registriert. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Carnot waren seit Anfang Februar direkte Zeugen der Gewalt.

Die Spannung in der Stadt ist äußerst beunruhigend. In einem zunehmend aggressiven, unbeständigen und unvorhersehbaren Umfeld bemühen sich die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen , die Verletzten medizinisch zu versorgen und den Vertriebenen Hilfe zu leisten.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 2010 in Carnot.