Das Leben nach Ebola: Hilfe für Überlebende

14.04.2015
Ärzte ohne Grenzen setzt sich dafür ein, dass Ebola-Überlebende nicht allein gelassen werden. Die Österreicherinnen Dr. Maria Bartsch und Dr. Sylvia Wamser berichten von der Arbeit mit den Menschen in Sierra Leone und Liberia.

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Sierra Leone: Life after Ebola
Sophie McNamara/MSF
Freetown, Sierra Leone, 08.04.2015: Der Ebola-Überlebende Umaru im Gespräch mit dem Psychologen Alex in der Klinkik von Ärzte ohne Grenzen in Freetown.

Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist noch nicht vorbei, tausende Menschen haben sich bisher infiziert. Bislang 2.300 Betroffene konnten das Virus besiegen und unsere Behandlungszentren verlassen. Doch auch nach einer Entlassung kämpfen sie mit sozialer Ausgrenzung und gesundheitlichen Problemen: Dem so genannten „Post-Ebola-Syndrom“. Ärzte ohne Grenzen setzt sich dafür ein, dass Betroffene nicht allein gelassen werden. In zwei Kliniken in Sierra Leone und Liberia erhalten Ebola-Überlebende medizinische und psychologische Betreuung. Die beiden Österreicherinnen Dr. Maria Bartsch und Dr. Sylvia Wamser berichten von der Arbeit mit den Menschen vor Ort.

Der Arbeitsplatz der österreichischen Ärztin Dr. Maria Bartsch befindet sich in einem kleinen Haus in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone. Dort hat  Ärzte ohne Grenzen eine Klinik für Ebola-Überlebende eingerichtet. Auch wenn der Höhepunkt der Epidemie in Sierra Leone inzwischen vorüber sein dürfte, werden fast täglich neue Fälle registriert. Neue Fälle bedeuten meist auch neue Überlebende. Diese sind zwar erleichtert, dass sie die Krankheit besiegt haben, aber manche Überlebende haben mit belastenden Spätfolgen zu kämpfen – dem sogenannten „Post-Ebola-Syndrom“.

Im Sprechzimmer von Dr. Bartsch sitzt Mamadou, ein Junge, der wie ein Elfjähriger aussieht. Er sei im Dezember 15 Jahre alt geworden, erklärt er. Im selben Monat verstarb seine Mutter an Ebola gestorben; danach erkrankte auch er. „Ow da body?“, fragt Dr. Bartsch auf Krio, einer lokalen Kreolsprache. Mamadou starrt auf den Boden. Vor seiner Ebola-Erkrankung war er noch nie beim Arzt gewesen, aber jetzt kommt er jede Woche in die Sprechstunde.

Betreuung für Überlebende in Sierra Leone und Liberia

Auch in Liberia hat Ärzte ohne Grenzen eine Klinik für Ebola-Überlebende eröffnet. Sie befinde sich auf dem Gelände des neuen Kinderspitals in Monrovia. Sowohl in Liberia als auch in Sierra Leone wandten sich die Überlebenden zuvor an öffentliche oder private Spitäler und Kliniken. Doch sobald das Personal erfuhr, dass sie zuvor an Ebola erkrankt waren, wies man sie ab.

„Sie haben Angst vor uns. Selbst wenn du ihnen dein Attest zeigst, das besagt, dass du von Ebola geheilt bist, weichen die Leute erschrocken zurück und sagen, sie könnten nichts für dich tun“, erzählt Jestina Dorley, eine der Patienten, die die Krankheit im Ebola-Behandlungszentrum ELWA 3 in Monrovia bezwungen haben. Für andere Überlebende ist Geldmangel eine weitere Schwierigkeit, da sie nach Ebola keine Arbeit mehr haben und auch keine anderweitige Unterstützung erhalten. Sogar die elementarsten Bedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft werden zu einem echten Problem, von medizinischer Betreuung ganz zu schweigen.

„Post-Ebola-Syndrom“ mit zahlreichen Folgeerkrankungen

Dr. Bartsch blättert in Mamadous Krankenakte, um sich die medizinischen Befunde der letzten Sprechstunde in Erinnerung zu rufen: eine Entzündung im linken Auge, ein unbestimmter Juckreiz am ganzen Körper, Gliederschmerzen und ein allgemeines Schwächegefühl.

„Ich habe zahlreiche Patienten mit starken Gelenkschmerzen“, erklärt Dr. Bartsch. „Viele Betroffene leiden auch unter Ausschlägen und Hauterkrankungen, Augenentzündungen, allgemeinen Erschöpfungszuständen und Infektionen des Urogenitaltrakts. In vielen Fällen können diese Folgeerkrankungen in unserer Klinik problemlos behandelt werden. Aber ohne adäquate Behandlung können ernste Komplikationen auftreten, die zu Schäden führen, die man nicht mehr rückgängig machen kann.“

Augenentzündung kann zu Blindheit führen

Eine der häufigsten und schwersten Komplikationen bei Ebola-Überlebenden wie Mamadou ist eine Augenentzündung, die sogenannte Uveitis. Diese Komplikation tritt auch nach anderen schweren Virenerkrankungen auf und kann bleibende Schäden verursachen. „Hier können wir mit der Klinik für Ebola-Überlebende sehr viel bewirken“, fügt Dr. Bartsch hinzu. „Bei den meisten Patienten kann eine Uveitis vom Facharzt mit Augentropfen erfolgreich behandelt werden. Eine unbehandelte Uveitis kann jedoch zu Blindheit führen. Wir überweisen die Patienten daher sofort an einen Spezialisten, bevor irreversible Schädigungen auftreten. Die Heilungsquote ist entsprechend hoch.“

„Unsichtbare Narben“ führen zu Depressionen

Auch die psychischen Folgen einer überstandenen Ebola-Erkrankung dürfen nicht unterschätzt werden. Tony Henry, ein Ebola-Überlebender aus Monrovia, kennt die Ursachen: „Viele von uns sind nach der überstandenen Ebola-Infektion in ein leeres Haus zurückgekehrt: Die meisten Angehörigen waren tot, der Job weg, die Nachbarn und die alten Freunde auf einmal misstrauisch und abweisend.“

Die psychologischen Teams von Ärzte ohne Grenzen betreuen täglich Patienten wie Tony. „Laut unseren ersten Auswertungen wiesen drei Monate nach der Entlassung rund ein Viertel der von uns betreuten Überlebenden Anzeichen einer Posttraumatischen Belastungsstörung auf. Etwa gleich viele zeigten Anzeichen einer Depression. Einige Patienten litten auch unter Gedächtnisverlust und wiederkehrenden Albträumen“, berichtet Dr. Richard Bedell, medizinischer Experte im Projekt von Ärzte ohne Grenzen in Liberia.

Ganzheitliche Betreuung entscheidend

Doch es gibt auch Hoffnung, wie die Grazer Psychologin Dr. Sylvia Wamser in Freetown feststellt: „Es ist schön zu sehen, wie offen die Patienten für die psychologischen Beratungsgespräche sind. Wir hören ihnen zu und erklären ihnen, dass das, was sie erleben, eine ganz normale Reaktion auf eine abnormale Situation ist. Wir helfen ihnen, Abwehrreflexe zu entwickeln, und zeigen ihnen auch einige einfache Atemübungen, die ihnen helfen, mit ihren Ängsten umzugehen. Bei vielen Patienten sehen wir schon nach vier oder fünf Sitzungen eine deutliche Verbesserung ihres Zustands.“

In den beiden Kliniken von Ärzte ohne Grenzen für Ebola-Überlebende in Freetown und Monrovia wurden bislang mehr als 1.000 Sprechstunden abgehalten. Diese Kombination aus medizinischer und psychologischer Betreuung ist unerlässlich, um Menschen, die Ebola überlebt haben, angemessen zu unterstützen. Da die Epidemie noch nicht besiegt ist und weitere Patienten die Krankheit überleben werden, wird sich Ärzte ohne Grenzen dafür einsetzen, dass die Betroffenen nach ihrer Entlassung aus dem Ebola-Behandlungszentrum nicht allein gelassen werden.