„Gib nicht auf!“ – der Alltag eines Ebola-Überlebenden

Umaru (20) konnte unser Ebola-Behandlungszentrum in Freetown verlassen – er hat das Virus erfolgreich besiegt. Seitdem erhält er in unserer Klinik für Überlebende medizinische und psychologische Betreuung. Seine Erlebnisse mit der Erkrankung hat er künstlerisch verarbeitet - seine Zeichnungen helfen nun auch anderen.
16.04.2015
Sierra Leone: Life after Ebola
Sophie McNamara/MSF
Freetown, Sierra Leone, 08.04.2015: Umaru hat seine Erlebnisse im Kampf gegen seine Ebola-Erkrankung künstlerisch festgehalten und verarbeitet. Seine Zeichnungen sind nun in einer Broschüre abgedruckt, die anderen Ebola-Überlebenden Tipps und Unterstützung bietet.

Der zwanzigjährige Umaru konnte Ende Februar unser Ebola-Behandlungszentrum Prince of Wales in Freetown verlassen – er hat das Virus erfolgreich besiegt. Seither kommt er jede Woche in die Klinik von Ärzte ohne Grenzen, wo Überlebende medizinische und psychologische Betreuung erhalten. Er war einer von insgesamt vier Personen in seiner Familie, die an Ebola erkrankten und wieder gesund wurden.

„Vor ein paar Wochen wurde mein Bruder krank. Er litt an Übelkeit und eines Tages erbrach er sich direkt über mich. Ich vermute, dass ich mich so ansteckte. Einige Tage darauf bekam ich Rückenschmerzen, gefolgt von Kopfschmerzen und Fieber, und dann musste auch ich mich übergeben. Alle hatten Angst. Ich konnte nicht mehr zu Hause bleiben und beschloss, ins Ebola-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen zu gehen. Dort nahm man mir Blut ab und teilte mir mit, dass ich Ebola-positiv sei. Ich wurde auf die Station mit den bestätigten Fällen verlegt, wo ich vor Albträumen kaum mehr schlafen konnte, denn ich dachte, dass man Ebola nicht überlebte. Zu der Zeit kursierten viele Gerüchte, dass man den Patienten in den Zentren etwas Tödliches injizierte. Mit mir lag eine Frau auf der Station, die ihre sieben Monate alte Tochter verloren hatte. Ich fragte mich, was wohl mit mir geschehen würde.

„Gib nicht auf!“

Die Pfleger und Ärzte sprachen mir jedoch Mut zu. Sie sagten: „Mach dir keine Sorgen, gibt nicht auf!“ Am nächsten Tag wurde die Frau entlassen. Bald darauf, nach zwei Wochen im Zentrum, durfte auch ich gehen. Als Ärzte ohne Grenzen mir ein Attest gab, das mich als Ebola-Überlebender auswies, war ich außer mir vor Freude.

Doch bald musste ich feststellen, dass die Rückkehr in den Alltag alles andere als einfach war.

Zum einen, weil ich auch nach der Entlassung noch mit Müdigkeit und Erbrechen zu kämpfen hatte. Die Ärzte von Ärzte ohne Grenzen gaben mir Tabletten gegen den Durchfall, das Erbrechen und die Bauchschmerzen. Heute sind diese Beschwerden verschwunden. Ich hatte das Glück, keine Haut- oder Augeninfektionen zu bekommen, wie viele andere Überlebende. Vor der Ansteckung wog ich 52 Kilogramm, jetzt sind es 60. Ich bin also kräftiger geworden – oder einfach nur dicker!

Menschen haben Angst vor Überlebenden

Ich befürchtete aber auch, die Leute könnten Angst vor mir haben oder denken, ich würde sie anstecken. Hin und wieder habe ich immer noch schlaflose Nächte. Die meisten Menschen haben mich jedoch wieder akzeptiert und sehen mich als Helden an, weil ich Ebola besiegt habe. Meine Freunde haben mich im Behandlungszentrum und nach der Entlassung auch zu Hause besucht. Sie sind wahre Freunde. Mein Vermieter war ebenfalls froh, dass wir Ebola überlebt hatten. Normalerweise werden Menschen, die an Ebola erkrankt sind, aus ihren Häusern verjagt. Wir hatten also Glück.

Der Großteil meiner Familie freute sich sehr, mich wiederzusehen. Alle sagten mir, ich solle viel essen, um wieder zu Kräften zu kommen. Gleichzeitig erhielt jedoch mein jüngerer Bruder von seinem Vater das Verbot, mich zu besuchen, obwohl ich wieder gesund war. Auch mein älterer Bruder hat aus Angst den Kontakt zu mir abgebrochen, obgleich wir früher ein Herz und eine Seele waren. Das hat mich nicht nur traurig gemacht, sondern auch wütend.

Anderen beim Kampf gegen die Krankheit helfen

Seit ich entlassen bin, gehe ich jeden Dienstag in die Klinik von Ärzte ohne Grenzen. Das ist besser, als zu Hause zu sitzen, wo mich das Nichtstun oft belastet. Ich bin noch nicht mit der Schule fertig, aber die ist aufgrund der Ebola-Epidemie momentan ohnehin geschlossen. Das finde ich schade. Aber hier bei Ärzte ohne Grenzen kann ich wenigstens anderen im Kampf gegen die Krankheit helfen.

Nach meiner Entlassung aus dem Ebola-Behandlungszentrum lernte ich Felix kennen, einen Schweizer Karikaturisten, der mit Ärzte ohne Grenzen hier war. Er regte mich dazu an, meine Erfahrungen mit Ebola in Bildern festzuhalten. Ich zeichnete also, wie ich krank wurde, was im Behandlungszentrum passierte und wie froh ich war, als ich entlassen wurde.

Zeichnungen vermitteln Hilfe zur Selbsthilfe

Meine Zeichnungen wurden für eine Broschüre von Ärzte ohne Grenzen für Ebola-Überlebende verwendet. Sie zeigt, was man tun soll – beispielsweise joggen, beten, Zeit mit Freunden und der Familie verbringen – und was man besser vermeiden sollte, zum Beispiel Trinken und Rauchen. Das Zeichnen hilft mir zu entspannen und gibt mir etwas Konkretes zu tun.

Jetzt, da ich die Krankheit überstanden habe, möchte ich mich weiter mit dem Zeichnen befassen und auch weiter an meiner Schauspielkarriere arbeiten. Ich habe schon in vier Filmen mitgespielt. Mein Regisseur freut sich sehr, dass ich lebe und wieder dabei bin.“