Haiti: Choleraepidemie – Lage in den ländlichen Gebieten besorgniserregend

09.12.2010
Neben dem Cholera-Noteinsatz behandelt Ärzte ohne Grenzen auch Opfer der jüngsten gewalttätigen Auseinandersetzungen

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Haiti 2010
Ron Haviv/VII
Port-au-Prince, Haiti, 21.11.2010: Im Isaie Jeanty Krankenhaus erhalten Neugeborene, die an Cholera-Symptomen leiden, eine überlebenswichtige Rehydrationslösung.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen haben seit Ausbruch der Cholera in mehreren Regionen Haitis bereits mehr als 51.000 Menschen in Behandlungszentren versorgt. Nach Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Port-au-Prince helfen Mitarbeiter außerdem Opfern von Gewalt.

Am Dienstagabend sind in Port-au-Prince gewaltsame Proteste ausgebrochen. Tausende Menschen protestierten gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen haben bislang 14 Opfer der gewalttätigen Auseinandersetzungen behandelt, darunter neun Personen mit Schusswunden. In Martissant, Bicentenaire, im Francais-Krankenhaus, in Saint-Louis, Sarthe, Cité Soleil und in Petion-Ville wurden medizinische Teams und chirurgisches Material bereit gestellt.

Cholera-Projekte werden weitergeführt

Trotz der Unruhen werden der aktuelle Cholera-Einsatz und die regulären medizinischen Projekte von Ärzte ohne Grenzen fortgeführt. Krankenwagen der Organisation dürfen Straßensperren passieren und sich frei in der Stadt bewegen. So können die Teams lebensrettende medizinische Versorgung sicherstellen, wie die Überweisung schwerer Cholera-Fälle oder von Patienten, die sekundäre Gesundheitsversorgung brauchen.

Ärzte ohne Grenzen hat außerdem im Radio dazu aufgerufen, dabei zu helfen, dass sich Krankenwagen der Organisation weiterhin frei in der Stadt bewegen können. Mitarbeiter haben zudem die Bevölkerung über medizinische Einrichtungen informiert, in denen Verwundete behandelt werden können.

Ärzte ohne Grenzen hat bereits 51.000 Patienten behandelt

Vom 22. Oktober bis zum 5. Dezember haben die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen in Haiti 51.000 Menschen mit Cholera-Symptomen behandelt. In der vergangenen Woche wurden täglich rund 1.100 Patienten behandelt. Die Organisation betreibt landesweit 40 Behandlungszentren mit etwa 3.300 Betten.

Die Lage ist vor allem im Norden Haitis kritisch, wo sich die Epidemie in den vergangenen zwei Wochen ausgebreitet hat. Teams von Ärzte ohne Grenzen betreiben dort Cholera-Behandlungszentren in Cap Haitien und in Port-de-Paix. Dorthin kommen täglich 380 Patienten – 430 werden stationär behandelt.

„Wir sehen oft nur die Spitze des Eisbergs. Wir wissen, dass Menschen in den ländlichen Gebieten an Cholera sterben“, erklärt David Schrumpf, der Teams im Norden leitet. „Wir versuchen, diese Menschen mit dem Auto, mit dem Motorrad und zu Fuß zu erreichen, und sie mit Flüssigkeit zur Rehydrierung zu versorgen und weitere Behandlungsstationen zu errichten. Unser Ziel ist es, den Menschen in den abgelegenen Gebieten einen besseren Zugang zu medizinischer Hilfe zu ermöglichen. Außerdem wollen wir, dass die Erkrankten schon rehydriert werden, bevor sie erste Gesundheitseinrichtung erreichen können.“

In der Hauptstadt Port-au-Prince bleibt die Zahl der Cholera-Fälle hoch, auch wenn sich die Zahl der Neuaufnahmen in den 13 Behandlungszentren der Stadt insgesamt stabilisiert hat. Bislang wurden dort 14.000 Menschen behandelt, davon allein 1.800 in der vergangenen Woche. In der Region Artibonite, wo die Cholera-Epidemie vor acht Wochen begann, nimmt die Zahl der Betroffenen ab: insgesamt gab es dort 21.000 Patienten, davon 870 in der vergangenen Woche.

Rund 4.260 Mitarbeiter im Cholera-Einsatz

Ärzte ohne Grenzen bleibt in Alarmbereitschaft und beobachtet die Situation im Land genau, um die Aktivitäten besser anzupassen. Nachdem die Zahl der Cholerafälle in einigen Regionen im Süden des Landes angestiegen ist, evaluiert Ärzte ohne Grenzen die Situation und errichtet Cholera-Behandlungszentren, insbesondere in Leogane und Jacmel (im Süden) und in Les Cayes und Jeremie (im Süd-Westen).

„In den Regionen, die neu von der Cholera betroffen sind, ist die Bevölkerung sehr verängstigt“, beschreibt Alan Lefebvre, Nothilfe-Koordinator von Ärzte ohne Grenzen. „Die Bevölkerung befürchtet, dass ein Cholera-Behandlungszentrum die Krankheit in ihre Gemeinde bringt. Die Herausforderung ist die Aufklärung, ein Bewusstsein zu schaffen und zu zeigen, dass wir dort sind, um die Kranken zu behandeln und dass wir damit erfolgreich sind.“

Mehr als 4.000 haitianische und 260 internationale Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen arbeiten gemeinsam in dem aktuellen Cholera-Einsatz. Als Reaktion auf den Ausbruch hat Ärzte ohne Grenzen bereits mehr als 770 Tonnen medizinisches und logistisches Material ins Land gebracht.