Das Zurückgeben liegt in meiner DNA

Als Cadi gerade 4 Jahre alt war, flüchten seine Eltern mit ihm aus der Türkei nach Österreich. 2019 gründet er mit Freund:innen in Wien „Seelenband“ – ein Startup, das Alltagsgegenständen Sinn verleiht, damit man sie länger benutzt. Heuer unterstützen Cadi und sein Team Ärzte ohne Grenzen Österreich mit einer Spendenaktion zum Giving Tuesday 2021. Warum sie gerade uns unterstützen wollen und was seine persönliche Geschichte damit zu tun hat, erzählt Cadi in diesem Beitrag.  

„Ich hatte als Kind leider mit einer unangenehmen Krankheit zu kämpfen. Darum musste ich, als wir nach Österreich gekommen sind, relativ lange im Krankenhaus behandelt werden. Ich weiß noch, wie behütet ich mich gefühlt habe im Landeskrankenhaus Salzburg. Da waren unheimlich nette Krankenschwestern, die sich urlieb um mich gekümmert haben. Dass meine Eltern für die Behandlung nichts zahlen mussten, ist für mich alles andere als selbstverständlich.

Cadi Yildirim neben Krankenpflegerin im Landeskrankenhaus Salzburg
Cadi Yildirim
Cadi (4) bei einer Behandlung im Landeskrankenhaus Salzburg

Ein kostspieliges Behandlungs-Menü

In Istanbul habe ich mich später mal – so mit 14, 15 Jahren – beim Fußballspielen verletzt. Im Krankenhaus habe ich dann so eine große Tafel gesehen. Da waren wie in einem Restaurant die unterschiedlichen Behandlungen mit Preisen an die Wand getackert. In dem Moment habe ich verstanden, dass in anderen Regionen der Welt Gesundheit etwas ist, dass man sich erkaufen muss. Und das ist auch heute noch so.  Ich habe zum Beispiel mit meinen Tanten gesprochen. Die müssen jetzt für eine Entbindung in Istanbul ca. 3.500 Dollar bezahlen. Und wenn man sich dann überlegt, dass das monatliche Durchschnittseinkommen in der Türkei deutlich darunter liegt – das ist doch schräg, oder?

Ich bin jedenfalls unheimlich dankbar für das, was ich hier in Österreich bekomme und bekommen habe – nicht nur, was meine Gesundheit angeht. Ich bin, wenn man so möchte, das Resultat aller sozialen Gegebenheiten in Österreich. Durch die Weitsichtigkeit meiner Eltern durfte ich zum Beispiel Schulen besuchen, wo ich die Chance bekommen habe, richtig gut Deutsch zu lernen und das mit Schulbüchern, die unbenutzt sind. Es gab viele Lehrer, die mich gepusht haben und auch das hat dazu geführt, dass aus mir das geworden ist, was ich heute bin. Ich mache mit meinem Unternehmen so viel Umsatz, dass meine Mitarbeiter:innen und ich davon leben können. Klar, wir sind nicht reich, aber es reicht.

Wir alle hier wissen, dass wir privilegiert sind und gerade deswegen wollen wir auch etwas zurückgeben

Cadi Yildirim

Wir alle hier bei Seelenband wissen, dass wir privilegiert sind und gerade deswegen wollen wir auch etwas zurückgeben.  Das Zurückgeben ist also nicht nur in meiner persönlichen, sondern auch in unserer Gründungs-DNA. Ich meine, wir sind insgesamt 7 Mitarbeiter:innen aus 5 unterschiedlichen Ländern – eine Kollegin stammt z.B. aus Rumänien, eine andere aus Vietnam, ein anderer aus Frankreich. Klar haben wir nicht alle dasselbe erlebt, aber wir wissen, dass es uns mit dem, was wir jetzt und hier tun dürfen, deutlich besser geht als vielen anderen Menschen auf der Welt, auch wenn natürlich nicht immer alles rund läuft.

Die Geschichte vom Bierkäse oder: Was mir Kraft gibt

Wenn ich mal anstehe in irgendeiner Situation, dann versuche ich mir vorzustellen, was meine Eltern alles geleistet haben als sie mit 19 und 20 Jahren nach Österreich gekommen sind. Beide haben kein Deutsch gesprochen und etwas ganz anderes gelernt als sie dann hier gearbeitet haben. Meine Mutter hat zum Beispiel in einem Salzburger Gasthaus gearbeitet. Sie erzählt noch heute davon, wie sie mal Bierkäse weggeschmissen hat, weil der so gestunken hat. Als sie dafür Ärger bekommen hat, hat sie sich Karteikarten gemacht, um so Schritt für Schritt die Sprache zu lernen und besser zu verstehen, was gut und was schlecht ist. Genau dieses Durchhaltevermögen und dieser Wille meiner Eltern gibt mir Kraft, wenn sie mir gerade ausgeht."

Spendenaktionen wie die von Seelenband leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass wir in Kriegs- und Krisengebieten Menschen helfen können, die sonst keine Hilfe bekommen würden.