Ohne Dach, aber nicht ohne Hoffnung

Kommentar von Emails aus dem Einsatz
09.12.2013
Ohne Dach, aber nicht ohne Hoffnung

Der österreichische Mitarbeiter Florian Lems ist derzeit auf den Philippinen in den von Taifun Haiyan betroffenen Gebieten. In seinem Blogpost berichtet er von seinen Eindrücken aus dem Katastrophengebiet.

Ormoc, 2. Dezember 2013 Als ich vergangenen Sonntag in Cebu angekommen bin, konnte ich mir noch kaum vorstellen, welche Zerstörungen der Taifun nicht weit entfernt angerichtet hat. Cebu City ist eine geschäftige, lärmende Stadt mit sympathischen kleinen Gassen und verstopften Hauptstraßen. Das Leben geht seinen Gang, Sturmschäden sind keine zu sehen. Das Gefühl der Normalität änderte sich schlagartig, als ich nach einer zweistündigen Bootsfahrt auf der Nachbarinsel Leyte ankam. Schon bei bei der Ankunft in der Stadt Ormoc fiel mir das abgedeckte Blechdach des Hafengebäudes auf. Am Hafenpier ein gesunkenes Lastschiff, das halb aus dem Wasser ragt. Bei der Fahrt durch die Stadt zeigte sich dann das Ausmaß der Verwüstungen. Die meisten Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen: Dächer wurden weggerissen, Zäune verbogen, Holzterrassen zerstört, Fenster zertrümmert. Neben den Straßen hängen Elektrizitätsleitungen herab, Strommasten aus massivem Holz liegen wie umgeknickte Streichhölzer am Boden.

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Ein zerstörtes Gesundheitszentrum im Dorf Macanip, in der Provinz Leyte

Während wir über eine Kreuzung fuhren, sah ich zu den Bergen im Hintergrund hinauf. Das bemerkt meine philippinische Kollegin, die mich im Hafen abgeholt hat und aus Ormoc stammt. „Normalerweise würde man von hier aus die Berge gar nicht sehen können, wegen der Bäume.“ Da erst entdecke ich, dass auf einer Anhöhe vor dem fernen Gebirge ein Wald steht. Doch fehlen die Baumkronen, die früher die Sicht auf die Berge versperrten. Dasselbe Bild auf den umliegenden Hügeln: auf manchen sind fast alle Palmen umgeknickt oder einfach in der Mitte abgebrochen. Trotz der Verwüstungen geht das Leben in Ormoc aber wieder seinen Gang. Man sieht Menschen beim Aufräumen, viele Geschäfte sind wieder geöffnet und auf den Straßen herrscht viel Verkehr. Meine Kollegin erklärt, dass viele Menschen aus noch schlimmer betroffenen Regionen hierher gekommen sind. Ormoc sei im Vergleich zu anderen Gegenden noch halbwegs glimpflich davon gekommen, meint sie. Das bemerke ich später, als ich weiter nach Norden, in das Städtchen Carigara fahre, wo ich das Team von Ärzte ohne Genzen besuchen werde um ihre Arbeit zu dokumentieren. Wir kommen durch Ortschaften, die fast zur Gänze dem Erdboden gleichgemacht sind. Neben der Straße halten Menschen Schilder hoch, bitten um Hilfe und Essen.

Nach Taifun Haiyan (c) Florian Lems/MSF

Verteilung von Hilfsgütern durch MSF in einem abgelegenen Dorf

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Besuch einer mobilen Klinik im schwer beschädigten Dorf Macanip, in der Provinz Leyte.

Doch in all diesen Verwüstungen ist die allgegenwärtige Solidarität nicht zu übersehen. Viele Menschen tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Bangon Ormoc“, was frei übersetzt etwa „Steht zusammen, Einwohner von Ormoc“ oder „zusammen sind wir stark“ bedeutet. Ein Transparent, das fast über eine gesamte Hausfassade geht, bringt es noch mehr auf den Punkt: „Roofless, homeless, but not hopeless“ steht darauf. Ohne Dach, ohne Zuhause – aber nicht ohne Hoffnung.

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