Elfenbeinküste: Dramatische medizinische Notlage dauert an

Krankenhäuser und Krankenstationen überfüllt
12.05.2011

Obwohl die schlimmste Gewalt in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) nach der Wahl und den darauffolgenden Auseinandersetzungen vor einem Monat weitgehend ein Ende gefunden hat, bleibt die medizinische Situation der Bevölkerung kritisch.

In der Hafenmetropole Abidjan sind Krankenhäuser und Krankenstationen überfüllt. Unter den Patienten und Patientinnen befinden sich auch einige, die erst in den vergangenen Tagen verwundet wurden. Die Versorgung mit Medikamenten und medizinischem Material ist äußerst gering. Im Westen des Landes ist die Lage weiterhin extrem angespannt. Viele Dörfer stehen leer, die Menschen verstecken sich noch immer im Busch. Einige Vertriebene kehren zwar langsam wieder nach Hause zurück, aber noch immer befinden sich mehr als hunderttausend Flüchtlinge im benachbarten Liberia – und Tausende leben weiterhin in überfüllten Lagern im Westen von Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste).

 

Abidjan: Ärzte kämpfen mit der schwierigen Lage

 

Das Gesundheitssystem ist weiterhin mit dem massiven Bedarf an medizinischer Nothilfe überfordert. Die geflohenen einheimischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Gesundheitseinrichtungen kehren zwar langsam wieder in viele Stadtviertel zurück – aber es gibt Engpässe bei Medikamenten und medizinischem Material.

Ärzte ohne Grenzen unterstützt weiterhin Krankenhäuser und Kliniken in ganz Abidjan, stellt Medikamente zur Verfügung und betreibt eine Basisgesundheitsversorgung sowie spezialisiertere medizinische Dienste. Teams von Ärzte ohne Grenzen behandeln in einigen Vierteln Verletzungen durch Gewalt und sehen sich mit zahlreichen medizinischen Notlagen konfrontiert. Viele Personen, die während der Kämpfe in Abidjan verletzt wurden, aber auch viele, die an verschiedenen Krankheiten leiden, konnten wochenlang nicht behandelt werden und brauchen oft dringend eine Operation.

Nachdem sich die Nachricht der kostenlosen Behandlungsmöglichkeiten bei Ärzte ohne Grenzen verbreitet hat, bemühen sich die Teams, mit dem riesigen Zustrom von Verletzten, Kranken und Schwangeren zurecht zu kommen. Deshalb wird Ärzte ohne Grenzen neue Projekte eröffnen, um den dringenden Bedarf an medizinischer Notfallversorgung abzudecken.

 

Krankenhäuser überfüllt

 

Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiten in sieben Krankenhäusern und Kliniken in ganz Abidjan. Im Krankenhaus Yopougon im Westen der Stadt operiert ein Team Notfallpatienten. In den vergangenen drei Wochen wurden 307 neue Patienten und Patientinnen eingeliefert, davon hatten 125 Schuss- oder Granatsplitterwunden von den andauernden gewaltsamen Zusammenstößen in dem Viertel. In den vergangenen zwei Wochen hat die Intensität der Gewalt abgenommen – als Folge davon hat sich die Zahl der Konsultationen vervierfacht, weil viele Patienten endlich medizinische Hilfe suchen konnten.

Im Krankenhaus Abobo-Süd werden weiterhin jeden Tag zwischen fünf und zehn Patienten mit Schussverletzungen eingeliefert. Jeden Tag warten lange Schlangen Patienten vor der Klinik, die eigentlich auf 20 Betten ausgelegt ist, im Moment aber mit 130 Betten voll gestellt ist. Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiten auch in den Krankenhäusern von Koumassi, Anyama, Houphouët-Boigny und Port Bouët und betreiben eine 25-Betten-Klinik im Süden der Stadt. Ärzte ohne Grenzen unterstützt mehrere Krankenstationen und behandelt Verletzte und Kranke in einem Vertriebenenlager.

 

Viele Vertriebene im Westen des Landes

 

Im Westen des Landes leben noch immer tausende Vertriebene in überfüllten Lagern unter prekären Bedingungen. Viele Dörfer sind verlassen – besonders in der Gegend an der liberianischen Grenze um die Stadt Toulepleu. Von dort gibt es Berichte, dass sich die Bewohner aus Angst vor neuer Gewalt weiterhin im Busch verstecken. Um Personen zu erreichen, die von Hilfe abgeschnitten sind, hat Ärzte ohne Grenzen die Zahl der mobilen Kliniken aufgestockt. Die Mitarbeiter unterstützen weiterhin Vertriebene und Krankenstationen.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet in den beiden Krankenhäusern in Duékoué und Guiglo. In beiden Städten behandeln Teams die Bewohner überfüllter Flüchtlingslager. Allein 25.000 Menschen haben sich auf das Gelände der katholischen Missionsstation in Duékoué geflüchtet. Besonders entlang der Straße zwischen Guiglo und Bloléquin sind viele Dörfer verlassen oder wurden niedergebrannt. Ärzte ohne Grenzen betreibt an der Straße mobile Kliniken, um die Menschen versorgen zu können, die sich in den Busch geflüchtet haben. Auch zwischen den Städten Danané und Toulepleu machen mobile Kliniken an 10 Orten zweimal pro Woche Station. Die Zahl der Teams soll dort verdoppelt werden.

 

Berichte über Tote im Südwesten

 

Es gibt Berichte über gezielte Tötungen in der Küstenstadt Grand Lahou im Südwesten von Côte d’Ivoire durch Söldner, die angeblich aus Abidjan Richtung Liberia fliehen. Ärzte ohne Grenzen plant, die medizinischen Einrichtungen in dem Gebiet mit medizinischem Material zu versorgen und ist gerade dabei, den Bedarf festzustellen. Mitarbeiter erkunden außerdem die Lage in der Küstenstadt Tabou und in Daloa im Zentrum des Landes.

 

Liberia: Flüchtlinge kehren sehr zögerlich zurück

 

In den vergangenen beiden Wochen ist die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge in Liberia stark zurückgegangen. Aber noch immer kommen Personen an. Viele suchen nach Angehörigen, die schon zuvor geflohen sind. Ein paar wenige kehren zurück, aber viele Tausende haben noch immer Angst vor der Rückkehr. Einige haben in Liberia ein Feld bestellt und bleiben deshalb mindestens noch bis zur Erntezeit im Land.

Noch immer befinden sich schätzungsweise 120.000 Flüchtlinge in Liberia. Die Zahl ist aber schwer zu überprüfen. Die große Mehrheit wurde von Familien und Gemeinden in Liberia aufgenommen. Viele der liberianischen Familien, die den Flüchtlingen jetzt Unterschlupf gewähren, waren wegen des langen Bürgerkriegs in Liberia vor 2003 selbst nach Côte d’Ivoire geflohen.

Ärzte ohne Grenzen hat im Distrikt Grand Gedeh, in dem etwa 60.000 Flüchtlinge leben, 16 mobile Kliniken eingerichtet. Sie haben allein im April 4.500 Patienten behandelt. Im Distrikt Nimba, in das sich etwa 50.000 Flüchtlinge geflohen haben, betreiben Mitarbeiter mobile Kliniken an elf verschiedenen Orten. Ein Drittel aller Patienten leidet an Malaria. Außerdem betreut Ärzte ohne Grenzen ein Flüchtlingslager in der Gemeinde Bahn, in dem 4.500 Flüchtlinge untergebracht sind, und unterstützt ein Krankenhaus in der Nähe.