Noteinsatz in Haiti: Tag 6

18.01.2010
Medizinische Hilfe in Port-au-Prince und anderen vom Erdbeben betroffenen Gebieten

Themengebiet:

Erdbeben in Haiti
Julie Remy
Port-au-Prince, Haiti, 17.01.2010: Patienten vor dem improvisierten Krankenhaus im Stadtteil Carrefour, wo Chirurgen von Ärzte ohne Grenzen rund um die Uhr Operationen durchführen.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Port-au-Prince arbeiten nach wie vor unter Hochdruck an der Suche nach zusätzlichen geeigneten Orten und dem Nachschub medizinischen Materials für die Durchführung notfallchirurgischer Eingriffe. Bisher konnten sie in der haitianischen Hauptstadt ca. 3000 Patienten erstversorgen und 400 Operationen durchführen. Die häufigsten Verletzungen sind offene Brüche, Kopfverletzungen und infizierte Wunden, die Amputationen notwendig machen. Parallel dazu haben weitere Teams von Ärzte ohne Grenzen Orte außerhalb der Hauptstadt erreicht und arbeiten daran, die medizinische Hilfe dort auszuweiten.

Karte: Der Einsatz von Ärzte ohne Grenzen nach dem Erdbeben
Stand: 19. Jänner 2010

Marie-Christine Ferir, eine der Notfallkoordinatorinnen von Ärzte ohne Grenzen, berichtet von einer nach wie vor äußerst schwierigen Situation. Verletzte warten viel zu lange auf Hilfe. „Die verbleibenden Krankenhäuser sind überfüllt. Obwohl es durch die Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen und anderen Organisationen langsam zu einer Ausweitung der chirurgischen Kapazitäten kommt, reichen diese bei weitem nicht aus, um der großen Zahl an Menschen gerecht zu werden, die dringend Operationen benötigen. Wir müssen uns auf lebensrettende Eingriffe konzentrieren.“

Der dringend erwartete zweite Teil des aufblasbaren Krankenhauses mit zwei Operationssälen trifft heute in Port-au-Prince ein. Ein geeigneter Platz für den Aufbau wurde gefunden, die Arbeit am Aufbau hat bereits begonnen.

Zerstörung und Verletzte auch außerhalb von Port-au-Prince

Jene Hilfsteams, die außerhalb der Hauptstadt unterwegs waren, haben auch dort schwere Zerstörung und zahlreiche Verwundete vorgefunden. In Jacmel, gelegen an der Südostküste nahe des Epizentrums des Bebens, sind ungefähr 60 % aller Gebäude zerstört. Das Krankenhaus ist zum Teil eingestürzt, doch der OP ist noch verwendbar. Ärzte ohne Grenzen wird die Arbeit hier so bald wie möglich aufnehmen, doch muss alles Notwendige per Helikopter hergebracht werden, da die Straßen blockiert sind. In Saint-Marc, von Port-au-Prince aus ca. 40 km Richtung Norden entlang der Küste, ist der Schaden nicht so groß, aber es haben sich zahlreiche aus der Hauptstadt geflüchtete Menschen hier eingefunden. Ärzte ohne Grenzen plant, hier ein Behandlungszentrum einzurichten. Auch im westlich der Hauptstadt gelegenen und ebenfalls schwer beschädigten Leogane hat Ärzte ohne Grenzen ein Behandlungszentrum eingerichtet.

Seit dem Erdbeben Verstärkung mit mehr als 130 internationalen Mitarbeitern

Der Nachschub mit medizinischem Material ist nach wie vor Anlass zur Sorge. Viel medizinisches Material wurde während der letzten sechs Tage verbraucht und muss ersetzt werden. Flüge nach Port-au-Prince sind nach wie vor nur eingeschränkt möglich. Ein Frachtflugzeug, das gestern hätte ankommen sollen, wurde auf die Dominikanische Republik umgeleitet, die Straßen von dort nach Haiti sind jedoch verstopft und es ist nur ein langsames Vorankommen möglich.

Bisher konnten seit dem Beben mehr als 130 zusätzliche internationale Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen nach Haiti gebracht werden. Sie verstärken die bestehenden Teams vor Ort – größtenteils haitianische Mitarbeiter, die oft zur Arbeit kamen, obwohl sie selbst schwer von dem Beben betroffen sind und oftmals Familienmitglieder verloren hatten. Ärzte ohne Grenzen versucht nach wie vor, einige Kollegen ausfindig zu machen, zu denen seit dem Beben kein Kontakt hergestellt werden konnte. Es ist traurige Gewissheit, dass einige von ihnen das Beben nicht überlebt haben.