27.04.2022
Um es den Palästinenser:innen zu erleichtern, auf die medizinischen Bedürfnisse Verletzter zu reagieren, haben unsere Teams Freiwillige aus Dörfern in Erster Hilfe geschult.

Jedes Jahr leiden Tausende von Palästinenser:innen unter konfliktbedingter Gewalt und ihren Folgen. Allein im Jahr 2021 verletzten israelische Streitkräfte mehr als 18 300 Menschen in ganz Palästina. Um es den Palästinenser:innen zu erleichtern, auf die medizinischen Bedürfnisse Verletzter zu reagieren, haben unsere Teams Freiwillige aus Dörfern in Erster Hilfe geschult, Krankenhauspersonal in der Triage ausgebildet und Medikamente für große Krankenhäuser in ganz Palästina gespendet. 

Ausbildung Freiwilliger im Westjordanland

Der 22-jährige Omar Basam Abu Hamad ist ausgebildeter Lehrer und arbeitet seit 2014 ehrenamtlich als Rettungssanitäter. Er lebt im Geflohenenlager Al-Fawwar, südlich der Stadt Hebron, wo ein einziges Gesundheitszentrum rund 9 500 Palästinenser:innen versorgt. Da das Gesundheitszentrum nicht in der Lage ist, den Bedarf aller Bewohner:innen zu decken, helfen Freiwillige wie Omar oft dabei, den Menschen vor Ort Gesundheitsdienste anzubieten.

Die Schulung konzentrierte sich hauptsächlich auf allgemeine Notfalltechniken - wie man einen guten Patient:innenfluss organisiert, wie man Patient:innen nach Verletzung einteilt und wie man Traumapatient:innen behandelt.

Enrico Vallaperto, Krankenpfleger und Ausbildner von Ärzte ohne Grenzen

Wenn es im Lager ruhig ist, unterstützt Omar eine Krankenpflegerin bei den Hausbesuchen der Patient:innen. Nachdem er von uns auch in psychologischer Betreuung geschult wurde, kann Omar nun den Patient:innen sowohl psychologische Erste Hilfe als auch medizinische Versorgung bieten.

Aber "die Sicherheitslage ist unvorhersehbar", sagt er, und manchmal braucht es schnelle, medizinische Notfallhilfe.

Das Lager Al-Fawwar ist seit langem ein Hotspot der Gewalt im Westjordanland. Wenn im Lager Gewalt ausbricht, kann schnell eine große Zahl von Menschen verletzt werden und dringende medizinische Hilfe benötigen.

Die Reaktion auf solche Vorfälle kann für Omar und andere Freiwillige aus der Gemeinschaft eine Herausforderung sein, da sie nur über eine begrenzte Ausbildung und Erfahrung bei der Behandlung von Verletzten verfügen.

Omar Basam Abu Hamad, a community volunteer trained by MSF

Jetzt wissen wir, was zu tun ist und wir sind bereit, unser Wissen anzuwenden. Wir haben gelernt, wie man Patient:innen einteilt. Wir haben auch einen Ort gefunden, an den Verletzte gebracht werden können, um unter solchen Umständen sicher medizinische Hilfe zu erhalten.

Omar Basam Abu Hamad

Omar war einer von 80 Freiwilligen, die 2021 von uns im Lager Al-Fawwar geschult wurden, um sicherzustellen, dass Patient:innen nach gewalttätigen Zwischenfällen die bestmögliche Versorgung erhalten.

Er sagt, er sei stolz darauf, seiner Gemeinschaft zu dienen, trotz der Risiken für seine eigene Sicherheit.

Ähnliche Schulungen haben seit letztem Jahr in drei anderen Gemeinden im Bezirk Hebron stattgefunden - im Lager Al-Arroub, in Beit Ummar und in Mohtasseb - sowie in vier Krankenhäusern in der Region, die eine spezialisierte Versorgung anbieten.

Wir haben auch Freiwillige aus sechs Gemeinden ausgebildet, die in der Nähe der Grenzlinie in Jerusalem leben, wo es häufig zu Gewalt zwischen Palästinenser:innen und israelischen Streitkräften kommt.

Gleichzeitig wurden in Zusammenarbeit mit dem palästinensischen Gesundheitsministerium 42 Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen in Ramallah von uns geschult, um andere in Erster Hilfe und der erweiterten Traumaversorgung auszubilden.

Unterstützung der Krankenhäuser im Gazastreifen

Im Gazastreifen unterstützten wir seit Oktober 2021 die Gesundheitsbehörden des Landes durch die Erweiterung von Kapazitäten und die Reorganisation der Notaufnahmen einiger der wichtigsten Krankenhäuser.

Wir haben auch dazu beigetragen, die Kapazitäten des Gesundheitspersonals für die Bewältigung einer plötzlichen großen Anzahl von Verletzten zu stärken - sie haben nun bessere Ressourcen, wenn zehn oder mehr Verletzte gleichzeitig in einer medizinischen Einrichtung eintreffen.

Während der letzten israelischen Militäraktion im Gazastreifen im Mai 2021 wurden mehr als 250 Menschen getötet und fast 2.000 weitere verletzt. Viele Verletzte trafen innerhalb kurzer Zeit in den Krankenhäusern ein, und das Personal in den Notaufnahmen der wichtigsten medizinischen Einrichtungen des Gazastreifens war mit der Situation überfordert.

Das Krankenhaus Beit Hanoun im Norden des Gazastreifens nahm eine große Zahl von Verwundeten auf, bevor sie in andere Krankenhäuser des Gesundheitsministeriums verlegt wurden. Von Oktober bis Dezember 2021 boten wir 70 Mitarbeiter:innen der Notaufnahme von Beit Hanoun einen dreimonatigen Lehrgang für die praktische Arbeit an. Bei den Mitarbeiter:innen handelte es sich hauptsächlich um Krankenpfleger:innen und Ärzt:innen. Die Schulung half ihnen, praktische Fähigkeiten zu erwerben und die Qualität der Versorgung zu verbessern.  

"Die Ärzt:innen in der Notaufnahme verfügten zwar über gute Kenntnisse, hatten aber keine Erfahrung in der Anwendung dessen, was sie an der Universität gelernt hatten", sagte Enrico Vallaperta, unser Krankenpfleger und Ausbilder.

Dieses Jahr wollen wir die Ausbildung auf andere Krankenhäuser in Gaza ausweiten.

Die nächste Runde der Ausbildung wird spezialisierter sein und sich auf Wundversorgung, Toxikologie usw. konzentrieren.

Enrico Vallaperta, Krankenpfleger und Ausbilder von Ärzte ohne Grenzen