31 Kilometer in zehn Stunden – Einsatz im Südsudan

Bericht und Fotoreportage aus dem Südsudan

Themengebiet:

04.12.2012
Suedsudan 2012
Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, Südsudan, 03.10.2012: Ein Hubschrauber bringt die lebensnotwendigen Hilfsgüter.

Jason van Dyke ist ein Ärzte ohne Grenzen-Logistiker aus Kanada. Derzeit arbeitet er in Lankien im Bundesstaat Jonglei, Südsudan. Jonglei wurde dieses Jahr von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Ärzte ohne Grenzen hat die Menschen in den betroffenen Gebieten in Lankien und Umgebung im Norden des Bundesstaates unterstützt. Jason und weitere sieben MitarbeiterInnen von Ärzte ohne Grenzen wanderten im Oktober 31 Kilometer von Lankien zum Dorf Padding. Sie verteilten dort Hilfsgüter an 1.000 Familien, die von den schweren Überschwemmungen betroffen waren.

Dieses Jahr waren die Regenfälle viel stärker als üblich. Die Menschen erzählten, dass die Überschwemmungen die schlimmsten waren, die sie in den letzten Jahren gesehen hatten. Während der Regenzeit ist immer überall Wasser. Die stetigen Regenfälle im August ließen aber die Pegel so hoch ansteigen, dass die geringen Schutzvorrichtungen der Leute den Wassermassen nicht standhalten konnten. Viele Menschen mussten ihre Lehmhütten verlassen, als das Wasser eindrang oder die Hütten wegen des stetigen Regens sogar zusammenbrachen. Ich saß einige Zeit in der Außenstation von Ärzte ohne Grenzen in Wuror fest, weil unser Flugzeug durch den anhaltenden Regen nicht landen konnte. Wenn der Regen wirklich stark wird, ist das Vorwärtskommen sogar auf dem Luftweg schwierig!

Weder auf der Straße noch auf dem Luftweg

Ein schneller Besuch von Ärzte ohne Grenzen-Mitarbeitern in der Gegend um Padding zeigte, dass dieses Gebiet sehr stark von den Überschwemmungen betroffen war. Die Menschen dort brauchten Unterkünfte, weil ihre Häuser entweder überschwemmt oder eingestürzt waren. Deshalb hatten sie in höher gelegene Gebiete in Nachbardörfern oder zu Verwandten fliehen müssen. Die Nahrungsversorgung war schwierig, aber die meisten Gastfamilien boten Unterstützung an. Das Problem war, dass Padding weder über Straßen noch auf dem Luftweg erreichbar war. Hubschrauber sind im Südsudan während der Regenzeit sehr gefragt, weil Landepisten für Flugzeuge nicht mehr nutzbar sind. Wir konnten einen Hubschrauber organisieren, der zwar die Hilfsgüter (Decken, Eimer, Moskitonetze und Plastikplanen) aber nicht das Team transportieren konnte. Unser Team in Lankien ist stolz darauf, alles Mögliche zu unternehmen, um Menschen zu erreichen, die Hilfe benötigen. Also entschieden wir, die 31 Kilometer von Lankien nach Padding zu Fuß zurückzulegen, um die Hilfsgüter zu verteilen.

Zehn Stunden lang

Wir starteten um 7.30 in Lankien und wanderten zehn Stunden lang. Durch das zurückgehende Wasser war der Boden meistens trocken, sehr hart und uneben. Wir mussten zwei „Flüsse“ überqueren und dabei durch Wasser waten, das manchmal bis zu unserer Brust reichte – auf einer Strecke von einem Kilometer. Leute, die in dem fünf Kilometer von Lankien entfernten Dorf Majok Hilfsgüter verteilt hatten, hatten mir geraten, Gummischuhe zu tragen. Das war ein großer Fehler! Der Boden war trocken und hart und ruinierte meine kanadischen Füße. Entfernung? Kein Problem. In einem Sumpf waten? Das habe ich schon dutzende Male gemacht. Aber immer mit angemessenem Schuhwerk!Die Leute, die uns unterwegs begegneten, waren überrascht, ‚khawajas‘ (Ausländer) zu sehen. Manche konnten es nicht glauben, dass wir wirklich zu Fuß von Lankien nach Padding gingen. Ärzte ohne Grenzen war zu dem Zeitpunkt die einzige Organisation, die in Padding seit dem Beginn der Regenzeit präsent war. Unterwegs fiel uns auf, dass die Stapel trocknender Sorghumhirse – das Hauptgetreide hier in Südsudan – immer kleiner wurden, je mehr wir uns von Lankien entfernten. Die Regenfälle waren so stark gewesen, dass sie das Getreide beschädigt hatten.

Große Entfernungen

Wenn man in Padding ankommt, sieht man nicht viele Menschen, weil die Bevölkerung extrem verstreut lebt. Die Familien wohnen in traditionellen strohgedeckten Lehmhütten, so genannten Tukuls. Wir sahen einige beschädigte Tukuls, aber keine eingestürzten. So wussten wir, dass das Dorf Padding der höher gelegene Ort war, an dem Menschen Schutz suchten. Die Ernten waren sichtlich beeinträchtigt, weil vor Ort nur sehr wenig Sorghum zu kaufen war. Die Menschen lebten von ihren Ziegen oder Kühen. Im Südsudan ist das, als ob man Geld essen würde. Es stellte sich heraus, dass der Platz an dem wir die Hilfsgüter verteilen sollten, im Nichts gelegen war. Ein einfaches Gebäude aus Lehm und Blech, das als Schulhaus dient, und einige benachbarte Tukuls sind alles, was in der Umgebung zu sehen ist. Die nächsten Tukuls waren mindestens 500 Meter entfernt und die Nachbardörfer gut zehn Kilometer oder mehr. Viele Frauen, die die Hilfsgüter abholten, hatten fast eine Tagesreise zurückgelegt und mussten in der Nähe übernachten.

Die Verteilung

Wir richteten ein Lager ein und trafen uns mit den lokalen Stammesführern und Verwaltern, um herauszufinden, wie wir die Güter am besten gerecht unter den zehn Dörfern der Umgebung verteilen konnten. Wir bestimmten einen Landeplatz, schnitten das hohe Gras zurück und übermittelten die Koordinaten an den Hubschrauberpiloten.

Am nächsten Tag markierten wir einen großen Kreis mit Fähnchen, brachten eine große Fahne von Ärzte ohne Grenzen an und entzündeten ein Signalfeuer. So waren wir bereit, die Hubschrauber mit ihren Hilfslieferungen zu empfangen. Wir heuerten 40 Einheimische an, um die Hubschrauber zu entladen und das Material zum Platz, wo wir verteilten, zu transportieren. Wir gaben auch 1.000 Abholmarken an die am meisten betroffen Familien in den zehn umliegenden Dörfern aus, um sicher zu gehen, dass unsere Unterstützung jeden erreicht, der sie benötigt. Die Unterstützung durch die lokalen Stammesführer und die Bevölkerung sorgte dafür, dass alles glatt lief.Am Tag der Verteilung kamen ständig Menschen, um ihre Pakete abzuholen. Letztendlich verteilten wir 775 Plastikplanen, 992 Eimer, 660 Decken und 84 Moskitonetze an die 1.000 betroffenen Familien. Am folgenden Tag gingen wir in zehn Stunden zurück nach Lankien. Unterwegs grüßten uns die Frauen, die mit den Hilfsgütern auf dem Kopf in ihre Dörfer zurückkehrten, dankend und mit einem Lächeln.

5Suedsudan 2012
Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, Südsudan, 03.10.2012: Ein Hubschrauber bringt die lebensnotwendigen Hilfsgüter.
4Suedsudan 2012
Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, Südsudan, 05.10.2012: Ärzte ohne Grenzen-Logistiker Jason van Dyke.
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Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, 05.10.2012: Zehn Stunden wandert das Team bis nach Padding.
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Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, Südsudan, 05.10.2012: Auf dem Weg nach Padding. Das Wasser reicht den HelferInnen oft bis zur Brust.
1Südsudan 2012
Jason Van Dyke/MSF
Lankien, Südsudan, 04.10.2012: Die Hilfsgüter für die Menschen in Padding werden hergerichtet.
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Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, Südsudan, 04.10.2012: Die Verteilung der Güter erfolgt nach einem gerechten System.
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Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, Südsudan, 04.10.2012: Unter den Hilfsgütern sind Planen, Decken und Moskitonetze.
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Jason Van Dyke/MSF
Lankien, Südsudan, 05.10.2012: Jason und das Team kommen erschöpft aber zufrieden nach Lankien zurück. Sie konnten Güter an 1000 Familien verteilen.
8Suedsudan 2012
Jason Van Dyke/MSF
Jonglei, Südsudan, 04.10.2012: Die Menschen tragen die Hilfsgüter zu ihren oft weit weg gelegenen Häusern.